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12-Stunden-Arbeitstag: So setzen Betriebe die Beschäftigten unter Druck

Von wegen „freiwillig und flexibel“

Dossier zum 12-Stunden-Arbeitstag: So setzen Betriebe die Beschäftigten unter Druck

Als „Panikmache“ und „Dirty Campaigning“ wurden die Warnungen vor dem 12-Stunden-Tag-Gesetz abgetan. Alles wäre freiwillig, Beschäftigte würden profitieren, haben ÖVP und FPÖ versprochen. Stimmt nicht, wie folgende Fälle zeigen.

Als „Panikmache“ und „Dirty Campaigning“ wurden die Warnungen vor dem 12-Stunden-Arbeitstag-Gesetz abgetan. Alles wäre freiwillig, Beschäftigte würden profitieren, haben ÖVP und FPÖ versprochen. Doch nur wenige Wochen nach in-Kraft-Treten des Gesetzes zeigt sich: Die Kritiker haben Recht behalten. Knebelverträge und Kündigungen nach einem „Nein“ zu 12 Stunden Arbeit sind die Folge. Wir haben die ersten Fälle gesammelt, wie Beschäftigte in Österreich unter dem Gesetz leiden – und wie Unternehmen ihre neue Macht ausnutzen.

Das Problem: Ein schlechtes Gesetz und zu niedrige Strafen

Nun häufen sich seit Inkrafttreten des Gesetzes die Fälle von exzessiver Auslegung oder Überschreitung des Gesetzes. Arbeitnehmer sollen bereits im Arbeitsvertrag ihre „ausdrückliche und freiwillige Bereitschaft“ zur 12-Tagesarbeitszeit sowie zur Wochenarbeitszeit von bis zu 60 Stunden schriftlich bekunden. Die Arbeitgeber-Seite setzt die Bewerber unter Druck und sichert die zeitliche Ausbeutung der Arbeitnehmer vertraglich ab.

Die ÖVP und die Sozialministerin Hartinger-Klein findet trotzdem nicht, dass das Gesetz nachzubessern wäre und sieht lediglich „einige schwarze Schafe“. Hartinger-Klein sprach zwar zuletzt von 25.000 Überschreitungen, dies sein bei 300.000 Unternehmen in Österreich nicht viel.

Aber auch die Sanktionen für Unternehmen sind zu gering. Die Geldstrafen reichen von 72 bis 1.815 Euro. Im Wiederholungsfall drohen 145 bis 1.815 Euro. Das ist wenig abschreckend. Denn durch das Fehlverhalten gegenüber den Beschäftigten verdienen Unternehmen mehr als sie Strafe bezahlen müssen.

Gesammelte Fälle zum 12-Stunden-Arbeitstag – So kann es den Arbeitnehmern ergehen

1 – Wiener Restaurant kündigt 56-jährige Köchin wegen „Nein“ zu 12-Stunden-Tag

Der Chef eines Restaurants in Wien wollte eine Köchin, 56 Jahre, zu einem regelmäßigen 12-Stunden-Arbeitstag zwingen. Sie lehnte ab – und wurde gekündigt. Davor hat sie 20 Jahre im Betrieb gearbeitet. Sie war als Teilzeitkraft angestellt und hat angeboten, auf 40 Stunden aufzustocken. Das hat dem Betrieb nicht gereicht. Der Chef hat die Köchin so lange unter Druck gesetzt, bis sie eine „einvernehmliche Kündigung“ unterschrieben hat.

Vielleicht erinnern sich manche noch an den Tipp, den Vizekanzler Strache einer besorgten Mutter gegeben hat?

„Dann werden Sie dem Chef sagen: Das geht bei mir nicht, ich habe Kinder zu versorgen, ich habe die Möglichkeit nicht. Das wird jeder Chef akzeptieren.“ Die Realität zeigt: Nein, das akzeptiert nicht jeder Chef.

2 – Salzburger Hotel: Pauschale „Freiwilligkeit“ im Dienstvertrag

Ein großes Salzburger Wintersport-Hotel hat einem Bewerber einen Dienstvertrag vorgelegt, in dem dubiose Mehr- und Überstundenregeln festgeschrieben sind. Darin heißt es:

Der Arbeitnehmer erklärt seine ausdrückliche und freiwillige Bereitschaft, bei Vorliegen erhöhten Arbeitsbedarfs eine Tagesarbeitszeit von bis zu zwölf Stunden und eine Wochenarbeitszeit bis zu 60 Stunden leisten zu wollen.

Zusätzlich sah der Vertrag eine All-in-Pauschale von gerade einmal 32 Euro im Monat vor. Sie sollte alle „Ansprüche, welcher Art auch immer“ abdecken – also sämtliche Überstunden. Es sind also ohne Probleme 80 Überstunden im Monat möglich. Bei diesem Beispiel würde jede Überstunde also nur mit 40 Cent bezahlt werden.

3 – Tiroler Gastrobetrieb: „freiwillig auf Freiwilligkeit verzichten“

Auch ein großer Hotel- und Gastrobetrieb am Arlberg hat die Formulierung mit der pauschalen „freiwilligen Bereitschaft“ zu 12-Stunden-Tage und 60-Stunden-Wochen festgeschrieben. Für den Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl sind solcher Verträge unzumutbar:

Mit so einem Vertrag muss ich freiwillig erklären, dass ich freiwillig auf mein Recht auf Freiwilligkeit verzichte, da ich ansonsten meinen Job verliere bzw. gar nicht bekomme. Das ist Zynismus in türkis-blauer Reinkultur.“ (Erwin Zangerl, Präsident der Tiroler Arbeiterkammer)

Zangerl fordert, dass das Gesetz neu verhandelt werden muss: „Es ist, was es ist – ein Husch-Pfusch-Gesetz, an dem man in den nächsten Jahren herumdoktern wird. Und die Leidtragenden sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Wirtschaftshörigkeit der Regierung ausbaden müssen.

4 – Auch in Kärnten: Beschäftigte müssen auf Freiwilligkeit verzichten
Auch ein Kärntner sollte „freiwillig“ auf die Freiwilligkeit beim 12-Stunden-Arbeitstag verzichten. In dem ihm vorgelegten Vertrag heißt es:
„Der Arbeitnehmer erklärt seine ausdrückliche und freiwillige Bereitschaft, bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes im Sinne des § 7 Abs. 1 AZG (idF ab 01. 09. 2018) eine Tagesarbeitszeit von bis zu 12 Stunden sowie eine Wochenarbeitszeit von bis zu 60 Stunden leisten zu wollen“.
Der Kärntner AK-Präsident findet, dass dieser Passus an Zynismus kaum zu überbieten ist und sagt:
„Die Arbeitnehmerin soll freiwillig erklären, dass sie auf ihr Recht auf Freiwilligkeit verzichtet. Wir haben immer davor gewarnt, dass dieser Schuss nach hinten losgeht. Unsere Warnungen wurden leider in den Wind geschlagen.“

FPÖ-Chef Strache und die Wahrheit über den 12-Stunden-Arbeitstag

„Spätestens, wenn das Gesetz auch greift und die Menschen das dann in der Realität sehen und spüren, dass alle diese Schreckensszenarien nicht eintreten, dann werden die Menschen natürlich auch erkennen, wer die Wahrheit gesagt hat und wer nicht.“ (Heinz-Christian Strache im ZIB2-Interview vom 20. Juni 2018)

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Quelle  https://kontrast.at/12-stunden-arbeitstag-faelle/

 

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