12. August 2020
Corona reißt Milliardenloch ins Gesundheitssystem – Finanzminister Blümel schaut zu
Wegen Corona fehlen im österreichischen Gesundheitssystem Millionen. Nicht nur die Mehrkosten durch die Pandemie reißen ein Loch ins Budget – durch die hohe Arbeitslosigkeit sinken die Sozialversicherungseinnahmen und durch die schwächelnde Wirtschaft schrumpfen auch die Gesundheitsbudgets der Länder. Das Problem ist bekannt: Schon im Mai forderten die Gesundheitslandesräte die Regierung zum Handeln auf. Finanzminister Blümel schaute bisher zu. Doch wenn er nicht bald tätig wird, drohen Leistungskürzungen und Selbstbehalte.
Spätestens bei Corona haben wir gemerkt, wie wichtig ein gut ausgebautes Gesundheitssystem ist. Dass uns Bilder wie in Italien erspart geblieben sind, hat auch damit zu tun, dass unsere Spitäler gut aufgestellt sind und genügend Intensivbetten zur Verfügung stehen. Während Italien nur 8,6 Intensivbetten pro hunderttausend Einwohner hat, sind es in Österreich 29. Doch genau dieses gut ausgebaute Gesundheitssystem steht jetzt auf dem Spiel. Denn die Pandemie hat nicht nur zu höheren Ausgaben geführt – sondern lässt auch die Gesundheitsbudgets der Länder und der Sozialversicherungen schrumpfen.
Corona reißt Milliardenloch in das Gesundheitssystem
Die Corona-Krise zieht nämlich mit der Wirtschaft auch die Krankenversicherung tief ins Minus. Hier geht es um rund 16 Mrd. Euro Gesamteinnahmen. Der Finanzminister geht in seiner Steuerschätzung für die EU von einem Steuereinnahmenminus von ca. 13% aus. Zu befürchten ist, dass die Beitragseinnahmen wohl in einer ähnlichen Größenordnung betroffen sind. Schließlich finanzieren sich die Sozialversicherungen durch arbeitsbezogene Abgaben. Die hohe Arbeitslosigkeit bedeutet auch für die Sozialversicherer weniger Einnahmen. Der Chef der Österreichischen Gesundheitskasse Andreas Huss und die Vorsitzende des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger Ingrid Reischl gehen von einem Minus zwischen 600 Millionen und einer Milliarde Euro aus.
Doch nicht nur das: Unternehmen wurden SV-Beiträge von rund 2 Milliarden Euro gestundet. Das ist eigentlich kein Problem, aber mit der drohenden Pleitewelle, wird die Sozialversicherung auch Teile der gestundeten Beiträge nicht eintreiben können.
Den Spitälern fehlt eine Milliarde Euro
Doch nicht nur die Sozialversicherungsträger fehlen die Einnahmen. Aufgrund ihrer Finanzierungsstruktur werden die Krankenhäuser gleich mehrfach getroffen: Einerseits wirkt sich der Rückgang der Steuereinnahmen der Länder massiv auf die Finanzierung aus. Andererseits wirkt sich auch der Einbruch der Beitragseinnahmen der Sozialversicherung negativ auf die Finanzierung der Spitäler aus. Zu befürchten ist, dass dadurch den Krankenhäusern bis zu 1 Mrd. Euro fehlen könnte.
Selbstbehalte und Pensions-Kürzungen drohen
„Der Bund muss einspringen,“ fordert Reischl. Schließlich sind die Sozialversicherungen zu einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik verpflichtet. Das bedeutet bei weniger Geld, müsste es zu Leistungskürzungen kommen. Auch SPÖ Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner fordert die Regierung zum Handeln auf:
Wenn jetzt nicht gegengesteuert wird, drohen Leistungskürzungen, Selbstbehalte, Beitragserhöhungen und Privatisierungen. Dazu sagen wir klar Nein! Es kann nicht sein, dass die Versicherten die Rechnung für die Krise zahlen müssen oder dass ÄrztInnen weniger bezahlt bekommen.“
Die SPÖ fordert daher einen vollen Ersatz der Corona-bedingten Schäden der Sozialversicherung durch die Bundesregierung.
Die Finanzlöcher der Sozialversicherungen stellen aber auch ein Problem für unser Pensionssystem dar. Denn, wenn die Beitragseinnahmen der Sozialversicherungen sinken und deshalb der Zuschuss des Bundes für die Pensionen steigt, könnte eine Diskussion über eine Pensionsreform drohen. Als Arbeitnehmervertreterin befürchte sie, dass vor allem von der ÖVP Druck in diese Richtung kommen werde, sagte die leitende ÖGB-Sekretärin Reischl.
Blümel ignoriert Warnrufe der Länder seit Mai
Die alarmierenden Zahlen führten auch dazu, dass die Gesundheitslandesräte aller Bundesländer schon im Mai von der Regierung eine Prognose über die Einnahmen der Sozialversicherung verlangte. Außerdem forderten die Landesräte die Bundesregierung dazu auf, sofort Gespräche über ein Hilfspaket für das Gesundheitssystem mit ihnen zu beginnen. Seitdem ist nichts passiert. Weder der zuständige Gesundheitsminister Anschober noch Finanzminister Blümel, der die Gelder freigeben muss, haben auf die Forderung der Landesräte reagiert.
Privatversicherungen profitieren
Durch die missglückte Fusion der Krankenkassen von Sebastian Kurz‘ schwarz-blauer Regierung fehlen den Krankenkassen ohnehin schon 1,7 Milliarden Euro. Dieses Budgetloch wurde durch die Corona-Krise noch größer und die zuständigen Minister haben bisher noch keine Bemühungen erkennen lassen, das zu reparieren. Der Bevölkerung drohen Selbstbehalte und schlechtere Leistungen. Als einzige profitieren die privaten Krankenversicherungen. Denn wird die gesetzliche Sozialversicherung unattraktiv, können sie leichter ihre Produkte verkaufen. Schon öfter haben konservative Politiker das öffentliche Gesundheitssystem bewusst kaputtgespart, um für private Anbieter den Weg zu ebnen. Schon unter schwarz-blau wurde bei den Zielen der Sozialversicherungsreform die Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Anbieter von Gesundheitsdiensten verankert.
Quelle https://kontrast.at/corona-sozialversicherung-bluemel/