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Der neue AMS-Algorithmus im Gerechtigkeitscheck.

02.01.2020

Jedem Arbeitslosen das Seine?

Der neue AMS-Algorithmus im Gerechtigkeitscheck.

Im Zweifel kann der Mensch den Algorithmus übersteuern.

Das AMS ist einer der wichtigsten Chancen-Pförtner für Arbeitssuchende. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die für den Sommer 2020 geplante Einführung eines Algorithmus zur Steuerung von Diagnostik und Therapie in der Arbeitsmarktpolitik breite Aufmerksamkeit findet. Denn knapp eine Million Menschen pro Jahr sind in Österreich von Arbeitslosigkeit betroffen, und aktuell zählt das AMS mehr als 94.000 Personen, die schon länger als ein Jahr ohne nachhaltige Beschäftigung geblieben sind.

Beraterinnen und Berater des AMS berichten, dass viele von ihnen die kontroverse Debatte über den AMS-Algorithmus mit geradezu existenziellem Interesse verfolgen: Führt die – in einem ersten Schritt – maschinelle Einteilung arbeitsloser Personen in Gruppen mit niedrigen, mittleren und höheren Arbeitsmarktchancen zu einer Benachteiligung von ohnehin schon Benachteiligten? Oder stärkt der beabsichtigte effizientere Einsatz öffentlicher Mittel am Ende gar die Gerechtigkeit im System, weil das AMS dank seines Algorithmus sowohl den Bedürfnissen der Einzelnen wie auch den allgemeinen Zielen der Arbeitsmarktpolitik präziser entsprechen kann? Die kulturkritische Debatte um den „Angriff der Algorithmen“ ist so bedeutsam wie unübersichtlich. Ihr grob vereinfachter Tenor lautet: Bleiben wir skeptisch gegenüber einer unaufhaltsamen Entwicklung, indem wir jeden Anwendungsbereich sorgfältig unter die Lupe nehmen.

Die Arbeitsmarktpolitik arbeitet schon jetzt mit Algorithmen

In der Arbeitsmarktpolitik kommt seit jeher eine Menge an Statistik zum Einsatz: bei der Bestimmung von Zielgruppen, bei der Gestaltung der Förderarchitektur oder bei der Budgetverteilung. Dabei sind die Logiken der Zuweisung von Personen zu einer Zielgruppe – zum Beispiel Ältere, Langzeitbeschäftigungslose oder Wiedereinsteiger – nichts anderes als Algorithmen samt einer impliziten Prognose der Integrationschancen am Arbeitsmarkt.

Eine Debatte über diese Art von Algorithmen gab es bisher nicht. Profiling (Mit wem habe ich es zu tun?) und Targeting (Welche Instrumente sind für wen zweckmäßig?) gehören zum Handwerk. Und bisher galt es als selbstredend, dass die Arbeitsmarktstatistik zwar die sozio-ökonomischen Realitäten der Betroffenen abzubilden versucht, die Arbeitsmarktbehörden aber diese Realitäten zwecks Maximierung der Chancen zu formen trachten.

Neu am neuen AMS-Algorithmus ist, dass auf Basis eines komplexeren inhaltlichen und mathematischen Modells nicht nur implizite Chancengruppen (Zielgruppen), sondern explizite Chancengruppen gebildet werden. Die Logik der Zielgruppen wird aber keineswegs aufgegeben. Sie hat weiterhin Priorität und wird um die Logik der expliziten Chancengruppen ergänzt. Der Einsatz der Dienstleistungen und Förderungen soll in Zukunft von beiden Logiken gesteuert werden.

Quelle https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2044578-Jedem-Arbeitslosen-das-Seine.html

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