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Eine Arbeitslose erzählt: “Niemand ist freiwillig in dieser Situation”

23 Januar 2020

Eine Arbeitslose erzählt: “Niemand ist freiwillig in dieser Situation”

Marianne (Name geändert), 30, ist zum ersten Mal in ihrem Leben länger als ein paar Monate arbeitslos. Sie wünscht sich einen stabilen Job mit Zukunft und wird nur hingehalten. Für die Serie “Was ich wirklich denke” erzählt sie, wie es ist, arbeitslos zu sein.
 

Ich bin seit einem halben Jahr arbeitslos. So lange hatte ich noch nie keinen Job. Mit 18 Jahren habe ich im Gastgewerbe begonnen. Bis auf ein paar kurze Unterbrechungen habe ich diesen Job bis jetzt gemacht. Eine Ausbildung habe ich nicht, nur den Pflichtschulabschluss. Ich habe schon öfter versucht, einen anderen Job zu finden, eine Ausbildung, etwas mit Zukunft. Im Endeffekt musste ich jedes Mal zurück ins Gastgewerbe. Das geht diesmal nicht. Mein früherer Arbeitgeber muss zumachen.

Also bin ich nun arbeitslos und wieder mal auf der Suche nach einer Ausbildung. Meinen Betreuer beim AMS kümmert das nicht besonders. Er ist derselbe, der mir schon vor anderthalb Jahren nicht weitergeholfen hat. Ich wollte damals schon eine Ausbildung beginnen, etwas im Büro oder im sozialen Bereich. Er hat mir gesagt, ich soll Mechatroniker lernen oder in den Einzelhandel gehen, weil dort Leute gesucht werden.

“Du bleibst dein Leben lang Hilfshackler”

Wir sagen unseren Kindern, sie können werden, was sie wollen. Niemand zwingt ihnen einen Beruf auf, den sie nicht machen wollen, sie können frei entscheiden. Beim AMS ist das anders. Da sollst du Ausbildungen machen, die nicht zu dir passen oder jeden noch so schlecht bezahlten Job annehmen. So bleibst du dein Leben lang Hilfshackler und landest erst wieder in der Arbeitslosigkeit.

Aus irgendeinem Grund glauben viele Leute, dass arbeitslose Menschen unmotiviert sind, faul und sich auf dem Arbeitslosengeld ausruhen. Ich bekomme 264 Euro pro Monat, weil ich nur für wenige Stunden angemeldet war. Keine meiner Bekannten bekommt mehr als 900 Euro – und die haben zwei Kinder daheim. Es gibt niemanden, der freiwillig und gerne in dieser Situation ist.

16 Stunden ohne Pause

Ich habe das große Glück, dass ich mit meinem Lebensgefährten in einer schönen Wohnung lebe und wir es uns mit Abstrichen leisten können, dass ich gerade keinen Job habe. Ich habe jeden Tag etwas zu essen, Winterschuhe und im schlimmsten Fall eine Familie, die mich auffängt. Das ist aber nicht selbstverständlich. Es gibt genügend Menschen, die nicht wissen, wie sie am Ende des Monats ihr Essen bezahlen sollen.

Aktuell bin ich auf der Warteliste für eine Art schnelle Lehre zur Bürokauffrau. Die dauert nur acht Monate. Über hundert Menschen waren beim Eignungstest. Der Kurs hat schon begonnen, aber angeblich gibt es bis Februar die Chance, dass ich nachrücken kann. Bald soll ich noch einmal vorbeischauen, ob es nicht eine Ausbildung für mich gibt dort. Ich weiß, dass sie dort auch für Gastro-Jobs ausbilden und weil das ein Mangelberuf ist, werden sie wohl versuchen, mich dort unterzubringen. Ich habe schon in der Gastronomie gearbeitet und die Arbeitsbedingungen sind unglaublich schlecht. Einmal sollte ich für eine Cocktailbar ohne Pause 16-Stunden-Schichten schieben. Das ist für mich einfach keine Option mehr.

Ich denke nicht, dass mein Berufswunsch so besonders ist. Am liebsten würde ich mit Kindern arbeiten, das war immer mein Wunsch. Das ist ein Job, den eh viele nicht machen wollen und außerdem werden immer mehr Kinderbetreuungsplätze gebraucht. Nicht weniger. Ich erwarte ja nicht, dass das AMS mir eine Ausbildung zur Astronautin zahlt. Ich habe noch mindestens 30 Jahre im Berufsleben vor mir. Da würde ich gerne einen Job machen, der stabil ist, bei dem das Arbeitsrecht eingehalten wird und der mich nicht komplett fertig macht. Ich finde nicht, dass das zu viel verlangt ist.

Quelle https://www.moment.at/story/wiwd-arbeitslosigkeit

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