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Kickl: „Überwachungssystem der DDR“

Das macht das Überwachungspaket gefährlich

Wenn Herbert Kickl auf einem echten Pferd reitet, ist die Aufmerksamkeit groß. Wenn er aber ein trojanisches Pferd in unseren Rechtsstaat einschleust, sorgt das für weniger Aufsehen – obwohl die Folgen weitreichend sind. „Das Überwachungspaket ist sehr abstrakt“, meint der Kommunikationswissenschaftler Dr. Fritz Hausjell. Stimmt. Deshalb haben wir die Gefahren der bevorstehenden Massenüberwachung einfach zusammengefasst!

Sicherheitsbehörden, also das Innenministerium oder auch die Landespolizeidirektionen, sollen künftig einen nahezu maßlosen Zugriff auf Daten aus Ortungsdiensten, SMS, Whatsapp, Facebook und Co. haben – und sie fünf Jahre speichern. Die Regierung will zudem die Videoüberwachung ausbauen und einen Bundestrojaner einführen.

Die Bundesregierung versucht alles, um der Bevölkerung vorzugaukeln, dass das neue Überwachungspaket für mehr Sicherheit sorgen kann und dass es keine Massenüberwachung enthält. Beides ist falsch“, sagt Thomas Lohninger, Sprecher der Grundrechts-NGO epicenter.works.

Als „verdachtsunabhängige und maßlose“ Überwachung kritisiert der einstige ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath das Vorhaben von ÖVP und FPÖ. Österreich mutiere mit dem Überwachungspaket „zu einem polizeilichen Überwachungsstaat“.

Ähnlich sieht das Rechtsanwalt Ewald Scheucher. Beim ExpertInnen-Hearing der Oppositionsparteien am 5. April 2018 resümierte er:

„Wir kippen langsam in einen Superstaat, wo es in Wahrheit keine freie Regung mehr gibt, ohne dass irgendjemand Zugriff darauf hat.“

Welche Folgen hat das Paket für die ÖsterreicherInnen?

Ein Bundestrojaner darf wüten

Künftig sollen verschlüsselte Nachrichten überwacht werden. Die Daten werden an die Strafverfolgungsbehörde weitergegeben. Dazu wird der sogenannte Bundestrojaner eingeführt – eine schädliche Software. Sie nützt Sicherheitslücken aus, damit das Programm am Gerät installiert werden kann, das überwacht werden soll. Das bedeutet auch: Die Regierung hat ein Interesse daran, dass alle Geräte hackbar bleiben – man kennt das etwa von der NSA: Der amerikanische Nachrichtendienst hielt eine gravierende Sicherheitslücke bei Windows drei Jahre lang geheim, weil er sie selbst nutzen konnte. Microsoft macht die NSA für den weltweiten Hackerangriff „WannaCry“ verantwortlich, bei dem 75.000 Unternehmen und Privatpersonen erpresst wurden.

Der Bundestrojaner ist, als würde die Regierung auf der Autobahn Schlaglöcher nicht mehr ausbessern, weil ja ein Bankräuber drüber fahren könnte“, fasst Agelika Adensamer zusammen. Sie ist Juristein bei epicenter.works.

Eine Überwachung von Nachrichten dieser Art bedeutet, dass die Regierung auf bedenkliche Weise in das individuelle Persönlichkeitsrecht eingreift.

Bewegungsprofile von Privatpersonen werden angelegt

Außerdem müssen Unternehmen „mit öffentlichem Versorgungsauftrag“ massenhaft Daten zur Verfügung stellen. Gemeint sind z.B. die ÖBB, die ASFINAG oder Verkehrsbetriebe. Sie müssen, so will es die Regierung, alle Videoaufzeichnungen, die sie machen, sichern und übermitteln, sobald eine Sicherheitsbehörde das verlangt. Die meisten Menschen warten auf Straßenbahnen, auf Bahnhöfen oder bewegen sich an Verkehrsknoten-Punkten. Wenn Videoaufnahmen dieser Art gespeichert werden müssen, können BetrachterInnen ausführliche Bewegungsprofile von Privatpersonen erstellen.

Die Vorratsdatenspeicherung kommt über die Hintertür

Die Regierung will eine „Anlass-Datenspeicherung“ einführen (besser bekannt als „Quick-Freeze“). Gibt es einen Verdacht, sollen Anbieter mobiler Dienste verpflichtet sein, Daten eines Nutzers bis zu12 Monate zu speichern – ein Löschen von Daten wird verboten.

Handys werden lokalisiert – ohne Verdacht

Alle Handys sollen ohne Unterstützung der Netzbetreiber – und ohne Verdacht – lokalisiert werden können. Kriminelle werden kein Problem haben, sich ausländische SIM-Karten zu besorgen und diese zu verwenden – wodurch sie die Regelung umgehen. Die Maßnahmen der Regierung treffen also vielmehr unbescholtene NutzerInnen.

Bürger-Polizei über „Sicherheitsforen“

Mit Änderungen im Sicherheitspolizei-Gesetz will die Regierung „Sicherheitsforen“ schaffen. Was harmlos klingt, bedeutet, dass Sicherheitsbehörden Aufgaben an private BürgerInnen übertragen können. Die Sorge ist, dass damit Denunziantentum und Willkür bei der Verfolgung Tür und Tor öffnen.

Hohe Kosten – Niedriger Rechtsschutz

Gesamtrechnung für die geplante massenhafte Datensammlung gibt es keine. Epicenter.works kritisiert, dass „enorme finanzielle Kosten für eingriffsintensive Maßnahmen entstehen, die die Sicherheit erwiesenermaßen nicht erhöhen“. Gleichzeitig wird der Rechtsschutz im Gesetzesentwurf in vielen Punkten nicht ausreichend gewährleistet: Richterliche Bewilligungen sind für vorgesehene Maßnahmen selten eine Voraussetzung.

Kickl für „Überwachungssystem der DDR“

Interessant ist, dass die FPÖ noch 2017 das Überwachungspaket von seinem Vorgänger Innenminister Sobotka abgelehnt hat. Kickl hat es mit dem „Überwachungssystem der DDR“ gleichgesetzt. Nun ist er Verfechter der geplanten Daten-Bereicherung.

Ursprünglich wollten ÖVP und FPÖ nicht einmal eine Begutachtung – dann verweigerten sie ein öffentliches Hearing mit ExpertInnen zum Thema. Am 5. April 2018 haben die Abgeordneten aller Parteien die Gesetzesvorlage im Justizausschuss diskutiert.

Quelle. https://kontrast.at/

 

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