Kleinbauern sterben aus, Großbauern und Agrarkonzerne werden gefördert
40 Prozent des EU-Budgets – das sind rund 55 Mrd. Euro pro Jahr – landen in der Agrarpolitik. Das ist vor allem eine Förderung für Großgrundbesitzer und Agrarkonzerne. Die ÖVP, die Landwirtschaftskammer und Raiffeisen betreiben diese Politik gemeinsam in Österreich als auch in der EU.
55 Mrd. Euro hat die Europäische Union 2016 für Agrarpolitik ausgegeben. 40 Mrd. Euro davon sind Direktzahlungen aus der 1. Säule und diese sind höchst ungleich verteilt:
Weniger als 2 Prozent der größten Betriebe erhalten über ein Drittel des Geldes – also 13,3 Mrd. Euro. 80 Prozent der Bauern bekommen dagegen nicht mal 20 Prozent des Budgets.
Im EU-Durchschnitt bekommen diese Betriebe 1.239 Euro im Jahr aus der sogenannten ersten Säule. Dagegen bekommen die größten 2 Prozent der Betriebe nur aus diesem Teil der Agrarzahlungen durchschnittlich 103.000 Euro im Jahr – einige wenige erhalten sogar Förderungen in Millionenhöhe. Denn Landwirtschaft wird nach Fläche und Ertrag gefördert – wer mehr hat, bekommt auch mehr.
Geld, das keinen Bauernhof direkt erreicht
Sieht man sich in Österreich die EU-Zahlungen im Agrarbereich an, fällt auf, dass ausgerechnet Institutionen der Landwirtschaftskammer selbst zu den Top-Empfängern der Landwirtschaftsförderung gehören. So etwa das Ländliche Fortbildungsinstitut – LFI. Der Förderbetrag für 2016 liegt bei satten 1,6 Millionen Euro – der sechsthöchste Betrag, der in dem Jahr ausbezahlt wurde.
Andere Topverdiener sind diverse Vermarktungsorganisationen wie die Marketing Abteilung der AMA (Agrarmarkt Austria). Sie erhielt stolze 2,5 Millionen Euro im Jahr 2016 und damit den vierthöchsten Förderbetrag. Auch die Österreich Wein Marketing GmbH bekam Fördergelder über 1,4 Millionen Euro. Millionen, die nie auf direktem Weg einen Bauernhof erreicht haben.
Geld für Großgrundbesitzer und Stiftungen
Die höchsten Subventionen für Privatpersonen gehen wiederum an reiche Großgrundbesitzer wie Maximilian Hardegg (Privatwohnsitz: Schloss Seefeld im Weinviertel). Im Jahr 2016 erhielt er 872.446,58 Euro Förderungen. Auch Markus Königsegg-Aulendorf bekam für sein Weingut im Schloss Halbturn 842.987,72 Euro von der EU in diesem Zeitraum.
Auch Topmanagern wie Wolfgang Porsche wurden 2016 fast 82.000 Euro für einen Hof in Zell am See überwiesen – im Hauptberuf ist Porsche Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG. Und auch Privatstiftungen werden mit Millionenbeträgen finanziert:
Im Jahr 2016 erhielt etwa die „Stiftung Fürst Liechtenstein“ 1,1 Millionen Euro aus dem Agrar-Fördertopf. Das ist die Privatstiftung des Fürsten von Liechtenstein und nach Schätzungen einige Milliarden Euro schwer.
„Brauchen Multi-Millionäre wirklich ein zusätzliches Einkommen vom Staat?“, fragt daher Hans Weiss in seinem Schwarzbuch Landwirtschaft.
Bauernsterben trotz Milliarden-Fördergeldern
Ein beträchtlicher Teil der landwirtschaftlichen Förderungen aus der EU fließt in Österreich also zu Großbetrieben und reichen Privatpersonen, die im Gegensatz zu vielen anderen LandwirtInnen nicht auf Hilfe angewiesen sind. Und das hat Folgen: Obwohl die EU jährlich Milliarden Euro in die Landwirtschaft steckt, geht das Bauernsterben weiter.
Die Politik der heimischen Landwirtschaftsfunktionäre und der Raiffeisen-Bank macht reiche Bauern und Betriebe immer reicher, während die kleinen und Nebenerwerbsbauern praktisch aussterben. Hans Weiss stellt dazu fest:
Solange nach Fläche gefördert wird, keine Obergrenzen für Subventionen existieren und auch Superreiche abkassieren können, werden wir das Bauernsterben nicht beenden können.“
Jeder vierte landwirtschaftliche Betrieb hat in den letzten zehn Jahren zugesperrt. Trotz enorm hoher EU-Agrarsubventionen gibt es heute ein Drittel weniger Bauernhöfe in Europa als noch im Jahr 2003 (laut letzter verfügbarer Erhebung). Neue Zahlen gibt es erst wieder Ende 2018, doch ExpertInnen erwarten keine großen Änderungen.
Wenn die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe um 27 Prozent abnimmt, sei eigentlich nicht nachvollziehbar, warum das Budget nicht im gleichen Ausmaß umgeschichtet wird, heißt es aus der Arbeiterkammer. Etwa in den Topf für ländliche Entwicklung, aus dem Arbeitsplätze für ehemalige BäuerInnen in ländlichen Regionen finanziert werden könnten – schließlich hat auch die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft seit 1990 um fast die Hälfte abgenommen.
Doch der Topf für ländliche Entwicklung, aus dem unter anderem das Agrarumweltprogramm, die Förderung der biologischen Landwirtschaft und die Förderung der Landwirtschaftsbetriebe in benachteiligten Gebieten gezahlt wird, beträgt EU-weit nur 11,9 Mrd. Euro, und damit 9 Prozent des Gesamtbudgets, der für Direktzahlungen liegt nach wie vor bei rund 40 Mrd. Euro und somit 32 Prozent des EU-Budgets.
ÖVP-Bauernbund-Landwirtschaftskammer-Raiffeisen
Derzeit wird über das EU-Budget ab 2020 verhandelt. Mit dem Ausscheiden Großbritanniens entsteht eine große Lücke im Budget und eine Reform der Agrar-Förderungen könnte helfen. Statt die Tendenz in Richtung Großbauern und Agrarkonzerne weiter voranzutreiben, könnte mehr Geld für ländliche Entwicklung, Bildung und Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden.
Doch die ÖVP hat immer für diese Politik lobbyiert und das hat mit der starken Verflechtung von Partei, Bauernbund, Landwirtschaftskammer und Raiffeisen zu tun. Viele ÖVP-Abgeordnete stammen aus dem Bauernbund. Dieser hatte nach der Nationalratswahl 2017 jubiliert, dass nunmehr 16 statt wie bisher 13 MandatarInnen der ÖVP dieser Teilorganisation entstammen.
Raiffeisen: Fast Monopolist auf Österreichs Agrarmarkt
Der Bauernbund ist wiederum stark mit der Raiffeisen verflochten. Und der Mischkonzern Raiffeisen verfügt etwa mit 95 Molkereien und anderen Milchverarbeitungsunternehmen über einen Marktanteil von 98% bei Frischmilch, bei Butter von 72%, bei Fruchtjoghurt von 80% und bei Schnittkäse von 85%. (Stand 2018)
Die Dominanz der Raiffeisentochter NÖM steigt aufgrund der fortschreitenden Konzentration und Zentralisation weiter an. Aus dieser Richtung wird also keine Reform des Landwirtschaftsbudgets zu erwarten sein.
Quelle https://kontrast.at/kleinbauern-sterben-aus/