13 Oktober 2020
Nehammer bestellt geächtete Killer-Munition
Neue Patronen für Polizei-Glock
Neue Munition für die Polizei: 1,5 Millionen Stück von Deformationsgeschoßen wurden vom Innenministerium für Pistolen und Sturmgewehre der Polizei bestellt. Die Munition gilt seit mehr als 100 Jahren als international geächtet. Nehammer vollendet damit ein Kickl-Projekt – und die Grünen schweigen. 2019 sagte das Innenministerium noch, dass es sich damit um einen „schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte“ handle.
Wien, 13. Oktober 2020 | Schon Herbert Kickl (FPÖ) wollte die österreichische Polizei mit international geächteter Munition ausstatten. Unter Kickl-Vorgänger Wolfgang Sobotka (ÖVP) war die Munition erstmals geprüft worden. Karl Nehammer gab nun den Bestellauftrag für sogenannte „Deformationsgeschoße“.
Seit über 100 Jahren geächtet
Diese können für die Polizeipistole „Glock 17“ und für das Sturmgewehr „Steyr MP 88“ verwendet werden. Die Munition bei Militär und Polizei ist aus Gründen der Menschenrechtskonvention eigentlich verboten. Seit der Haager Konvention von 1899/1907 gilt das grundlegende Verbot von Munitionsarten, „die sich im Körper leicht ausdehnen oder plattdrücken.“
Das passiert bei dieser Munition. Denn die Patrone deformiert sich beim Aufschlag zum Pilz. Das „Deformationsgeschoß besteht aus einem mantellosen Metall-Körper mit einem vorderen, sich zur Spitze des Geschoßes hin verjüngenden Teil und einem hinteren, zylindrischen Teil“, so das Innenministerium.
„Schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte“
Eine Anfrage von „FragDenStaat“ vom August 2019 zeigt, dass auch Experten im Auftrag des Innenministeriums zu diesem Schluss kamen:
„Die Einführung einer Deformationsmunition als Polizeieinsatzmunition stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte dar“,
stellten diese fest. Das sei aber nur „mittelbar relevant“, heißt es aus dem Ministerium, denn die Experten „kamen insbesondere in Bezug auf die unmittelbare menschenrechtliche Relevanz zum Schluss, dass die Empfehlung zu den ÖMun-Richtlinien nicht abzulehnen ist“.
Weiters hält das Innenministerium fest, dass „das Risiko tödlicher Verletzungen aufgrund von Verbluten nicht höher“ sei.
1,5 Millionen Stück im Anflug auf Österreich
„Deformationsgeschosse (…) bewirken einen erheblich größeren Schusskanal im Körper. Das heißt, der Einschuss ist klein und der Ausschuss ist groß. Diese Patronen werden eigentlich nur jagdlich verwendet“, sagte die Luzerner Polizei im Jahr 2015. Denn damals wurde die Munition aufgrund einer „Tatort“-Folge bekannter. Man kennt sie auch als „Dum-Dum-Patronen“. Diese zersplittern, wodurch sie sich von modernen Deformationsgeschossen unterscheiden. Beide sind international geächtet.
Unter Innenminister Kickl waren 1,6 Millionen Stück medial kolpotiert worden, Nehammer kaufte nun 1,5 Millionen Stück von der Schweizer Waffen-AG RUAG. Die Polizei rechnet mit einer Lieferung im ersten Quartal 2021. Die Kosten betragen wohl um die 800.000 Euro.
Kein Wort von den Grünen
„Mannstoppende Munition“, wie Deformationsgeschosse ebenfalls genannt werden, wird auch bei der deutschen und der Schweizer Polizei verwendet. Argumentiert wird das mit dem verminderten Risiko von Durchschüssen und Querschüssen. Damit reduziere man die Gefahr von Kollateralschäden. „Die höhere Energieabgabe ermöglicht eine schnellere Wirkung und im Zusammenhang mit einer geringeren Durchschlagskraft zusätzlich die Verringerung einer Fremdgefährdung“, sagt Innenminister Karl Nehammer.
Vom grünen Koalitionspartner äußerte sich bisher noch niemand zur Vollendung des Kickl-Projekts – unter grüner Regierungsbeteiligung. Dabei hat Birgit Hebein (Grüne) die Wiener Polizei im aktuellen Wahlkampf noch entwaffnen wollen. Das Innenministerium verwies in der gestrigen Aussendung darauf, dass die neue Polizei-Munition „schadstoffreduziert“ wäre. Für die Umwelt scheint die neue Munition also gut zu sein.