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Umbau der Krankenkassen

Umbau der Krankenkassen

„Kassenreform“: Milliarden-Defizit, Unternehmen bestimmen in Krankenkassen & Leistungen werden weniger

Trotz heftiger Kritik und rechtlicher Bedenken beschließen ÖVP und FPÖ in der letzten Nationalratssitzung des Jahres die „Krankenkassenreform“: 21 Kassen werden auf 5 zusammengelegt, Leistungsunterschiede bleiben bestehen und Unternehmer bestimmen künftig in der Versicherung der Beschäftigten. Und die Regierung bleibt dabei: Bis 2023 soll eine Milliarde Euro eingespart werden. Alle Experten zweifeln an der Summe, der Rechnungshof vermisst eine transparente Berechnungsgrundlage. Im eigenen Gesetzesentwurf spricht die Regierung selbst von lediglich 33 Millionen Euro Einsparungen ab 2023. Dazu kommen Mehrkosten von mindestens 230 Millionen Euro pro Jahr auf die Krankenkassen zu. Ein Umbau, der mehr kostet als er bringt – nur um Unternehmern in den Kassen der Beschäftigten mehr Macht zu geben und sie finanziell zu entlasten.

ÖVP und FPÖ haben es eilig bei der „Krankenkassenreform.“ Trotz heftiger Bedenken in der Begutachtung waren die Regierungsparteien nicht bereit, auf kritische Punkte einzugehen – die Reform wird im Eiltempo beschlossen. Das Ganze wird bis 2020 umgesetzt. Die unselbständig Beschäftigten werden in der Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengefasst – sie ersetzt die bisherigen Gebietskrankenkassen. Beamte, Eisenbahner und Bergbau-Arbeiter sowie Bauern und Selbständige bekommen eigene Versicherungen: Die Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst, Eisenbahnen und Bergbau und die Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS).

Das heißt: Es wird weiterhin verschiedene Kassen mit unterschiedlichen Leistungen geben. Die großen Ungerechtigkeiten zwischen Beamtenversicherung und Angestellten-Versicherung werden nicht beseitigt.

Bei der ÖGK sind 7 Millionen unselbstständig Beschäftigte und Mitversicherte zusammengefasst. Und dort gewinnen die Unternehmer künftig an Macht: Bisher standen in den Gebietskrankenkassen 4 Arbeitnehmer einem Unternehmer-Vertreter gegenüber. Schon das hat die Realität nicht abgebildet: Denn tatsächlich kommen in Österreich auf einen Unternehmer 11 Beschäftigte. Dabei ist aber kein einziger Unternehmervertreter in der ÖGK versichert – sie entscheiden aber über die Gesundheitsleistungen für ihre Beschäftigten. Sie argumentieren das damit, dass Unternehmen auch die Hälfte der Beiträge leisten würden.

Das stimmt aber nicht:

Gerade einmal 29 Prozent der Gesamteinnahmen der Gebietskrankenkassen stammt von den Arbeitgebern – das ist nicht einmal ein Drittel der Beiträge. Trotzdem gibt ihnen die Regierung jetzt in der ÖGK die Hälfte der Entscheidungsmacht über die Gelder der Beschäftigten.

Und weil sie die Entmachtung der Arbeitnehmer in ihrer eigenen Krankenversicherung nicht gut verkaufen können und sie auch keine Harmonisierung zwischen den Leistungen für Beschäftigte, Beamte und Selbständige zustande gebracht haben, versprechen sie eine Milliarde Einsparungen bis 2023.

Doch wo auch immer man sucht und fragt – die Milliarde, die dann bei den Patienten ankommen sollte, findet sich nicht. Die Einsparungsmöglichkeiten bei der Verwaltung sind klein – sie sind mit 40 Euro pro Versichertem und Jahr die niedrigsten in Europa. Zum Vergleich: Die effizienteste Krankenkasse in Deutschland wendet 136 Euro pro Patient und Jahr für Verwaltung auf.

Private Krankenversicherungen sind ohnehin weit teurer, weil sie hohe Summen für Marketing, Werbung und hohe Vorstandsgehälter ausgeben.

Die Regierung legt keine Rechnung vor

Wo soll die eine Milliarde also herkommen? Die Regierung hat das nicht berechnet, denn: „Wenn so viele Experten das schon berechnet haben, brauchen wir nicht auch noch etwas berechnen.“ (Hartinger-Klein, ZIB 2, 14.9.2018)

Allerdings: Die „vielen Experten“ gibt es auch nicht. Genau genommen gibt es nicht einmal einen einzigen Experten, der die Zahlen der Regierung bestätigt. Es ist sogar umgekehrt: Alle Experten, die sich zur Krankenkassenreform äußern, ziehen die Summe von einer Milliarde Euro Einsparungsvolumen stark in Zweifel.

Über „magische Zahlen“ der Regierung

Die Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker bemängelt, dass der Nachweis zum Einsparen der von der Regierung behaupteten Milliarde fehlt: Die Zahlen der Regierung sind „schwer zu glauben“. Eine Milliarde ist eine „magische Zahl“ und „man muss das Spiel mit Zahlen beenden“, fordert sie. Und auch die Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher versteht nicht, wie die Rechnung zustande kommt, wie sie im Ö1-Mittagsjournal sagt:

Ja, diese eine Milliarde Euro Einsparung, die erschließt sich mir auch nicht vollständig.

Zusätzliche Kosten statt einer Milliarde Euro Einsparungen fürchtet wiederum die Chefin der Wiener Gebietskrankenkasse, Ingrid Reischl:

„Es wird eine Milliarde dem Patienten versprochen und gleichzeitig sind im Gesetzesentwurf mehr Belastungen für die neue Krankenversicherung enthalten. Das kann sich… das kann mir niemandvorrechnen. Das funktioniert nicht.“ (Ö1-Morgenjournal, 17.9.2018)

Um 650 Millionen verrechnet? Ein Blick in den Gesetzesentwurf

Selbst im Gesetzesentwurf der Regierung ist keine Spur von einer Milliarde Euro. Dort ist lediglich von einem Einsparungspotenzial von 33 Millionen Euro im Jahr 2023 die Rede. Bis dahin werden die Einsparungen mit Null beziffert. Die 33 Millionen sollen dann bis 2026 immerhin auf 350 Millionen wachsen:

Sogar die eigene Kostenschätzung der Regierung im Gesetzesentwurf widerspricht also der Regierungs-PR radikal.

Dabei ist die Bundesregierung verpflichtet, die genauen finanziellen Auswirkungen von Gesetzes-Änderungen auf alle öffentlichen Haushalte im Entwurf anzugeben: Im Gesetz zum Umbau der Krankenversicherung müssen also alle finanziellen Auswirkungen für Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger dargestellt werden. Das schreibt der Punkt „wirkungsorientierte Folgenabschätzung“ (§ 17 Abs. 4) des Bundeshaushaltsgesetzes vor.

Die „Krankenkassenreform“ bringt Millionen an Kosten statt an Einsparungen

Auf der anderen Seite finden sich klare Zahlen zu den zusätzlichen Kosten für die Krankenkassen. Denn mit dem Umbau der Sozialversicherung werden vor allem Kosten verschoben – zum Vorteil der Unternehmer und zum Nachteil der Krankenkassen der Beschäftigten.

Über 228 Millionen jährlich fehlen den Kassen künftig

Das macht in Summe Belastungen von 560 Millionen Euro bis 2023. Zieht man die Einsparungen von 33 Mio. Euro ab, bleibt immer noch ein Defizit von 527 Millionen Euro für 2023. Zusätzlich müssen aber auch noch die Koste berücksichtigt werden, die der Prozess der Fusion mit sich bringt. Als die Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und Angestellten zusammengelegt wurden, hat das 200 Millionen gekostet. Bei der Krankenkassenfusion sind aber nicht nur 2 sondern gleich 21 Kassen betroffen. Experten schätzen die Kosten auf etwa 600 Millionen Euro.

Sobald die Kassen strukturelle Defizite schreiben, wird der Dachverband also Selbstbehalte beschließen. Bei der ÖGK würde das mit einem Schlag 7 Millionen unselbstständig Beschäftigte und Mitversicherte betreffen. Dieses Szenario ist nicht unwahrscheinlich, denn auf die Kassen kommen Kosten in Millionenhöhe zu.

Bei strukturellen Defiziten sind die Krankenkassen per Gesetz (§31 Abs. 5a ASVG) verpflichtet, Selbstbehalte einzuführen. Die Entscheidung darüber fällt im neuen Dachverband  (im SV-OG: Art.1 z24) – und dort haben die Arbeitgeber eine Mehrheit von 6:4.

Quelle   https://kontrast.at/krankenkassenreform-oesterreich/


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