Immer mehr Staaten – und zwar längst nicht mehr nur autoritäre wie China – versuchen, den internationalen Daten-Highway mit nationalen Gesetzen zu pflastern. In einigen Ländern gelten Upload-Filter oder Website-Sperren, länderspezifische Abgaben und Pflichten machen das Web zum juristischen Fleckerlteppich. Was man darf und was nicht, hängt künftig also vom Standort des Servers und jenem des Website-Besuchers ab. Doch der lässt sich ganz einfach ändern.
Den Standort eines Besuchers ermitteln Webseiten nämlich in aller Regel über die IP-Adresse. Dabei handelt es sich im Prinzip um eine Art digitale Hausnummer im Internet, die uns – meist temporär – vom Provider zugewiesen wird, der aus einem gewissen IP-Adresspool schöpft.
Über die IP lässt sich der Standort schätzen
Der Provider weiß also, welchem Kunden er wann welche IP zugewiesen hat und kann nachverfolgen, welche Angebote diese IP im Internet besucht. Außerdem können Website-Betreiber durch die Analyse der IP-Adresse – einige Stellen sind länderspezifisch – herausfinden, woher ein Besucher kommt.
Das machen sich Websites zunutze, wenn sie Geoblocking implementieren, also zum Beispiel Video-Streams nur an inländische Besucher ausspielen. Und das soll auch die Durchsetzung nationaler Gesetze im globalen Internet ermöglichen, hoffen Politiker.
IP-Adressen sind nicht unveränderlich
Der Denkfehler: Die IP-Adresse ist nicht unveränderlich und kann mit ein paar Klicks verschleiert werden. So wird aus dem Österreicher ganz schnell ein Schweizer, Tscheche oder gar Neuseeländer. VPN-Dienste, die eine verschlüsselte Tunnelverbindung zum gewünschten Dienst aufbauen und hoch spezialisierte Anonymisierungs-Software wie Tor machen es möglich.
Ihre Funktionsweise: Sie agieren als Mittelsmann zwischen dem Internetnutzer und der Website, die er besuchen will. Die Website sieht beim Besuch demnach die IP-Adresse des zwischengeschalteten VPN-Servers, der Provider wiederum kann nur den Weg bis zum VPN-Anbieter nachvollziehen, weiß aber nicht, wohin der Nutzer tatsächlich gesurft ist. Bei Tor wird eine ganze Kette von Servern zwischengeschaltet, was die Nachverfolgung noch schwieriger macht.
VPN-Anbieter werden immer populärer
VPN-Tunnel gibt es als kostenlose und kostenpflichtige Lösung. Wer nur hin und wieder einmal seinen wahren Standort verschleiern will, kann auf Gratis-Lösungen zurückgreifen. Die sind nicht rasend schnell und eignen sich beispielswiese kaum zum Streaming, dafür sind sie für jedermann zugänglich – etwa als Gratis-Dreingabe im alternativen Browser Opera.
Wer mehr Tempo braucht, bezahlt Betreibern großer VPN-Netzwerke ein paar Euro im Monat für seinen Zugang. Auf diesem Weg bekommt man genug Speed, um hochauflösende Filme zu streamen – selbstredend ohne lästiges Geoblocking und mit Zugang zu den oft deutlich umfangreicheren US-Katalogen des Anbieters.
Tor: Langsam, aber sehr sicher
Tor – die Software ist auch Pforte zum Darknet – ist ein Open-Source-Projekt, läuft auf PC und Smartphone, und kann kostenlos über die Projekt-Website heruntergeladen werden. Gute Anonymisierung ist hier mit niedrigem Surf-Tempo gepaart. Im Gegensatz zu VPN-Angeboten kann man bei der Nutzung von Tor kein Zielland wählen, über das der Datenverkehr laufen soll.
Der Software haftet wegen des illegalen Drogen- und Waffenhandels im Darknet kein besonders guter Ruf an, sie wird aber mitnichten nur von Dealern und Kriminellen genutzt, sondern steht auch bei Dissidenten und Bewohnern von Ländern, die im Internet Zensur üben, hoch im Kurs.
Eine andere IP schützt nicht nur vor Zensur
Tipp am Rande: Wer beim Online-Shopping oder beim Buchen einer Reise einen VPN-Anbieter zur Verfügung hat, sollte Angebote vor dem Kauf mit verschiedenen IP-Adressen und Endgeräten aufrufen. Auf diese Weise verhindern Sie, dass das Gegenüber über sogenanntes „Dynamic Pricing“ einen höheren Preis verrechnet, weil die IP-Adresse einem eher reicheren Land zugeordnet wird oder das Gegenüber wegen Ihres Geräts davon ausgeht, dass Sie etwas mehr bezahlen könnten.
Quelle https://www.krone.at/1901289