19.03.2019
Laut einer DLR-Veröffentlichung werden Jahr für Jahr Milliarden Insekten Opfer von Windkraftanlagen
Die Windenergie könnte nach einer Untersuchung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein nennenswerter Faktor für das Insektensterben sein. Eine Modellrechnung des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik beziffert die Zahl der durch Windräder in Deutschland getöteten Fluginsekten während der warmen Jahreszeit auf 5,3 Milliarden pro Tag. Da jedes siebte deutsche Windrad – knapp 2.000 an der Zahl – in Mecklenburg-Vorpommern steht, könnten im Nordosten annähernd eine Milliarde Insekten durch Rotorschlag getötet werden – an jedem der rund 200 warmen Tage zwischen April und Oktober.
1.200 Tonnen tote Insekten pro Jahr?
Laut den Forschern suchen Fluginsekten vor der Eiablage in großen Schwärmen hohe, schnelle Luftströmungen auf, um zu entfernten Brutplätzen zu gelangen. Die Flugrouten würden mit dem Aufkommen der Windenergie in den vergangenen Jahren vermehrt von Windrädern durchschnitten, deren Rotorblätter mit Blattspitzengeschwindigkeiten von mehreren Hundert km/h für durchfliegende Insekten den Tod bedeuteten. Pro Jahr entstünden beim Durchflug der Rotoren Verluste von mindestens 1.200 Tonnen unter den Insekten. Die Forscher sprechen von einer Größenordnung, „die für die Stabilität der gesamten Population durchaus relevant sein könnte“.
Insektenreste an Rotoren mindern Windkraft-Leistung
Darüber hinaus sehen die Wissenschaftler auch eine negative Auswirkung auf die Windkraftanlagen durch die Kollision mit Insekten. Es gebe einen Zusammenhang zwischen den Insektenresten an den Rotorblättern und der nachlassenden Leistungskraft der Windkraftanlagen, so die Studie. Die Energieverluste unter anderem durch Strömungsabrisse betragen demnach bis zu 50 Prozent der eigentlichen Leistungskraft der Anlagen.
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„Situation wird weiter verschärft“
„Die Zahlen dieser Studie sind erschreckend“, sagte die Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation NABU MV, Rica Münchberger, NDR 1 Radio MV: „Das ist ein verstärkender Faktor für das Insektensterben und der ist nicht minimal. Dadurch wird die Situation weiter verschärft.“ Der Bundesverband WindEnergie moniert methodische Schwächen der DLR-Veröffentlichung. Es handele sich um grobe Schätzungen, denen keine empirisch gesicherte Basis zugrunde liege.
Weitere Forschung nötig
Die Wissenschaftler ihrerseits räumen bestehende Unsicherheiten ihrer Analyse ein, nichtsdestotrotz sei die Entwicklung besorgniserregend. Es seien weiterführende Untersuchungen nötig, um ein genaueres Bild darüber zu bekommen, wie groß der Anteil der Windenergie am Insektensterben im Vergleich mit anderen Faktoren wie etwa Pflanzenschutzmitteln, intensiver Landwirtschaft, Verkehr, Klimawandel und Urbanisierung ist.
Schwarmerkennungssysteme für Windkraftanlagen?
Zudem gehe es nicht um einen Rückbau der Anlagen, aber die Annahmen aus den 1990er-Jahren, die zu einem Verzicht auf einen Verträglichkeitsnachweis von Windkraftanlagen gegenüber Fluginsekten geführt hätten, seien falsch. Seinerzeit seien Wissenschaftler noch davon ausgegangen, dass sich Insektenschwärme nicht in der Höhe der Rotoren bewegen oder durch die hohe Windkraft abgeschreckt würden.
Dass dies nicht so ist, habe man mithilfe von Boden- und Flugzeugradar-Messungen nachweisen können. Die Rotoren könnten mit automatischen Schwarmerkennungssystemen ausgestattet werden. Eine ähnliche Technik gibt es bereits, um zu verhindern, dass Fledermäuse von Rotoren getroffen werden. Fast 250.000 wurden in Deutschland laut Schätzungen in den vergangenen Jahren Opfer von Windrädern. Tausende Vögel wie Adler, Störche und Rotmilane kommen noch hinzu.
NABU: Tierschutz mehr berücksichtigen
Der NABU sieht es ähnlich: „Wir sind grundsätzlich nicht gegen diese Anlagen, aber der Schutz der Tiere und Pflanzen muss bei der Planung ausreichend berücksichtigt werden“, so Münchberger. Dies geschehe bisher nicht in ausreichendem Maße. Die NABU-Geschäftsführerin verweist auch auf immer neuere Erkenntnisse: „Dass es einen Fledermauszug auch über die Ostsee gibt, das wussten wir vor einigen Jahren noch gar nicht. Heute aber ist bekannt, dass die Fledermäuse auch in diesem Bereich Insektenschwärmen folgen.“