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Gesundheit– Sind wir Patienten zweiter Klasse?

Wie weit das Problem der Zwei-Klassen-Medizin in Österreich fortgeschritten ist

Immer wieder fällt in Österreich das Wort „Zwei-Klassen-Medizin„. Die Zahl der Privatversicherten steigt seit einigen Jahren stetig an. Wie gut Kassenpatienten tatsächlich betreut werden und woran es krankt.

Endlich steht der Termin beim Orthopäden. Zuversichtlich betritt Michael F. die Praxis, nur um sich zwei Minuten später – ohne recht zu wissen, wie das passieren konnte – schon wieder im Vorzimmer zu befinden. Genau so lange dauerte nämlich das Arzt-Patienten-Gespräch. Das kann es doch nicht gewesen sein? Der 31-Jährige kommt sich abgekanzelt vor, kaum hat er seine Symptome, seine Schmerzen genau schildern können. Er beschwert sich bei der Sprechstundenhilfe, will noch einmal zum Arzt und wird tatsächlich erhört. Der lapidare Kommentar des Arztes, als er die Ordination wieder betritt: „Ich bin Kassenarzt, ich habe etwa 100 Patienten am Tag. Was erwarten Sie sich da?“. Ist das ein Einzelfall oder bereits Alltag?

Mangel an Kassenärzten

Rund 100 Patienten am Tag. „Das ist für viele Kassenärzte der Normalzustand“, sagt Johannes Steinhart, Vizepräsident der Ärztekammer für Wien. Er selbst ist als Urologe tätig und hat nicht täglich mit dieser Anzahl an Patienten zu kämpfen, kennt aber die Situation vieler seiner Kollegen. Die Frequenz sei eher steigend, vor allem bei Allgemeinmedizinern, wie er mitteilt. Einige Kollegen würden darüber klagen, dass sie am Anschlag seien. Noch ist laut Steinhart eine qualitative medizinische Versorgung in Österreich gegeben, damit diese erhalten bleibt, braucht es dringend mehr Ärzte. Schon seit geraumer Zeit gebe es einen Mangel an Kassenärzten.

Immer mehr versichern sich zusätzlich privat

Das wirft die Frage auf, wo die Reise hingeht, wenn sich nicht bald etwas ändert. Rund 8,8 Millionen Österreicher (Stand 2017) – 99,9 Prozent der Bevölkerung – sind über die gesetzliche Krankenversicherung versorgt.

Diese Versorgung reicht vielen Patienten jedoch nicht mehr aus: Seit sechs Jahren steigt die Zahl der Privatversicherten kontinuierlich an. 2012 haben sich laut Jahresbericht des Versicherungsverband Österreich (VVO) insgesamt rund 2,92 Millionen Österreicher (Einzelversicherung und Gruppenversicherung) privat krankenversichert, 2013 waren es rund 2,98 Millionen, 2014 rund 3,0 Millionen, 2015 rund 3,1 Millionen und 2016 rund 3,2 Millionen – immerhin bereits über 36 Prozent der Bevölkerung. Für 2017 weist die private Krankenversicherung laut VVO ein voraussichtliches Plus an Prämien von 3,7 Prozent auf. Die Prognose für 2018 sagt eine erneute Zunahme des Prämienvolumens voraus.

Dass Patienten nicht allein auf die gesetzliche Krankenversicherung zählen, spiegelt sich auch in einer Umfrage im Auftrag der Wiener Ärztekammer zum Gesundheitssystem aus dem Jahr 2017 wieder: Damals wurden 1.000 Österreicher befragt. Bereits für 51 Prozent läuft das System in die falsche Richtung. 82 Prozent zeigten sich sehr beziehungsweise eher davon überzeugt, dass es sich beim österreichischen Gesundheitswesen um ein Zwei-Klassen-System handelt.

Wo die Probleme liegen

Positiv anzumerken ist: Die gesundheitliche Grundversorgung in Österreich funktioniert. Aber immer häufiger suchen Patienten Wahlärzte auf, beklagen sich über extrem lange Wartezeiten beim Arzt und für spezielle Untersuchungen wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT). „Die Wahlärzte fangen derzeit die Defizite auf“, sagt der Vizepräsident der Ärztekammer für Wien. Sie seien eine große Entlastung. Man müsse der Entwicklung in Richtung Ärztemangel Rechnung tragen. Einerseits fehle es an jungen Nachwuchsärzten, andererseits an Plätzen für Kassenordinationen. Die Österreichische Ärztekammer daher zusätzlich 1.400 Kassenstellen, um den Versorgungsstandard weiterhin zu gewährleisten – besonders im Hinblick auf steigende Bevölkerungszahlen, dem Bevölkerungsalter und einer zunehmenden Anzahl an chronisch Kranken.

Speziell bei Allgemeinmedizinern und Kinderärzten herrscht ein Nachwuchsmangel. Steinhart plädiert dafür, den jungen Kollegen und Allgemeinmedizinern den Rücken zu stärken. Vernetzte Gesundheitszentren, Gruppenpraxen oder Jobsharing – dabei arbeitet der Jungmediziner anfangs nur Teilzeit an der Seite eines erfahreneren Kollegen – sollen Nachwuchsärzte anlocken und angemessene Rahmenbedingungen schaffen.

Zumindest in Wien soll ein Deal in Sachen Honorarabschluss zwischen Wiener Gebietskrankenkasse, Stadt Wien und Ärztekammer die Versorgung künftig stabilisieren beziehungsweise verbessern: Für Allgemeinmediziner und Kinderärzte sind von 2018 bis 2020 jährlich jeweils zehn Prozent an Honorarerhöhung geplant. Das soll Ordinationsgründungen fördern. Zudem sollen jene Praxen Bonus-Zahlungen erhalten, die „überdurchschnittlich versorgungswirksam sind und zumindest 25 Stunden pro Woche offenhalten.“

Bleibt zu hoffen, dass ähnliche Maßnahmen auch für ganz Österreich geschaffen werden, um die Versorgung weiter zu gewährleisten und einem Zwei-Klassen-System entgegenzuwirken.

Quelle https://www.news.at/a/zwei-klassen-medizin-10059869

 

 

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