Privatsphäre ade: Im Internet werden immer mehr Daten gesammelt. Die daraus erstellten Persönlichkeitsprofile kennen uns mittlerweile teils besser als der eigene Partner.
„Es gibt keine Privatsphäre mehr. Wenn Sie ungestört bleiben wollen, kenne ich ein paar Orte in Sibirien.” Jewgeni Kasperski muss es wissen. Der 47-jährige Russe ist CEO von Kaspersky Lab, eines der weltweit führenden Unternehmen für Sicherheitssoftware. Der Preis für die neuen Technologien sei der Verlust der Privatsphäre, bringt Kasperski das Datenschutzproblem auf den Punkt. Wer das Internet und seine Möglichkeiten nutzen möchte, kommt nicht umhin, zahlreiche Daten über sich bekanntzugeben. Und wo Daten anfallen, gibt es auch Interesse, diese auszuwerten und weiter zu verwenden. Oder haben Sie sich noch nie gewundert, warum ein Artikel, den Sie kürzlich Ihrem Amazon-Wunschzettel hinzugefügt haben, plötzlich auf zahlreichen Internetseiten beworben wird?
Aufgeflogen
Aufgrund seines Einkaufsverhaltens gibt der Kunde zudem intime Details über sich preis. Wie im Fall eines Mädchens aus Minnesota. Deren Vater beschwerte sich im örtlichen Target-Markt, dass seine junge Tochter Werbung für Baby-Produkte erhalte. Hinterher stellte sich heraus, dass das Mädchen dem Vater ihre Schwangerschaft verheimlicht und bereits einige Baby-Artikel bei Target gekauft hatte. Auch wenn die Geschichte nicht verifiziert ist, steht fest, dass Geschäfte „Pregnancy Scores” verwenden, um anhand ihrer Einkaufsgewohnheiten zu ermitteln, ob eine Frau schwanger ist. So können zielgerichtet passende Produkte beworben werden – natürlich dezent unter normale Angebote eingestreut, um Situationen wie oben zu vermeiden.
Weit nicht alle Daten, die wir preisgeben, sind unfreiwilliger Natur. Im Social-Media-Zeitalter werden vom Mittagessen über den Beziehungsstatus bis hin zum aktuellen Aufenthaltsort persönlichste Details im Netz gepostet. Facebook ist Stasi auf freiwilliger Basis, wie es Michael Niavarani vor einigen Jahren prägnant formulierte. Selbst aus so unscheinbar wirkenden Aktionen wie einem „Gefällt mir“ lassen sich in der Menge viele Rückschlüsse ziehen. In einer aktuellen Stanford-Studie wurde festgestellt, dass mittels Computeranalyse aus 70 Likes ein Persönlichkeitsprofil erstellt werden kann, das mehr über einen Nutzer verrät, als dessen Freunde über ihn wissen. Ab 100 Likes soll das Profil genauer sein als das Wissen von Familienmitgliedern, 300 sind vonnöten, um den Partner in den Schatten zu stellen. Der durchschnittliche Facebook-Nutzer kommt übrigens auf 227 „Gefällt mir“-Angaben.
Big Data wird zu Big Brother
Nicht nur Firmen sammeln Nutzerdaten, auch Regierungen wollen über ihre Bürger Bescheid wissen. Seit dem NSA-Skandal um Edward Snowden ist bekannt, wie großflächig Staaten ihre Bürger im Namen der Kriminalitätsbekämpfung überwachen, auch in Österreich. Am Mittwoch wurde etwa im Parlament die Reform des Staatsschutzgesetzes beschlossen. Diese fällt zwar deutlich milder aus als ursprünglich vorgesehen, dennoch können in Zukunft etwa Verkehrs- und Standortdaten von Handys ohne richterliche Bewilligung überwacht werden.
Wer möchte, dass möglichst wenige persönlichen Details und Vorlieben im Netz landen, muss sehr vorsichtig sein. Kein Online-Shopping, keine sozialen Netzwerke, keine Benutzerkonten. Damit ist man aber etwa von vornherein vom Gebrauch eines Smartphones ausgeschlossen. Dafür ist nämlich ein Benutzerkonto bei Apple, Google und Co erforderlich.
Auch wenn die Datensammelwut nicht zu stoppen ist, kann man wenigstens versuchen, sie etwas in Grenzen zu halten. Browser-Erweiterungen wie Ghostery schützen vor Trackern, mit denen Facebook und andere die Aktivitäten ihrer Nutzer beobachten. Auf sozialen Netzwerken sollte man nur Dinge posten, die wirklich jeder wissen darf, und beim Anlegen eines Kundenkontos gut überlegen, ob man es wirklich benötigt. Ansonsten gibt es immer noch die Möglichkeit, nach Sibirien auszuwandern.
Quelle.http://www.nachrichten.at VITEO zum Nachdenken