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Glyphosat – Gift für Mensch und Umwelt

Glyphosat ist der Wirkstoff des auch bei Kleingärtnern populären Unkrautvernichters „Roundup“. Es ist das weltweit am meisten eingesetzte Herbizid. Das bleibt nicht ohne Folgen. Ökologische Schäden nehmen ebenso zu wie gesundheitliche Probleme von Feldarbeitern.

Glyphosat

Glyphosat ist mittlerweile ein ubiquitäres Gift. Die Leipziger Mikrobiologin Prof. Monika Krüger suchte kürzlich für eine Studie nach einer unbelasteten Kontrollgruppe, das heißt nach Urinproben ohne Glyphosat. Das unerwartete Ergebnis ihrer Recherche lautet jedoch: Es gibt keine unbelasteten Personen. Jeder hat Glyphosat im Urin.
Das breit wirkende Mittel wird auf vielen Millionen Hektar ausgebracht, um Unkräuter zu vernichten. Glyphosathaltige Mittel wie Roundup Ultramax und Roundup Turbo des Agrarkonzerns Monsanto sind für eine Behandlung des Getreides vor der Ernte zugelassen. Auf diese Weise wird die Reife des Getreides beschleunigt und Verunreinigungen des Ernteguts durch Beikräuter verhindert. Die Zeitschrift Ökotest hat in ihrer Augustausgabe festgestellt, dass in fast allen getesteten Getreideprodukten Glyphosatreste nachzuweisen sind.

Diese Vorerntespritzung, die sogenannte Sikkation, wird ebenso im Rapsanbau, bei Kartoffeln und Erbsen sowie weltweit bei Baumwolle angewandt. In der industriellen Landwirtschaft werden dazu immer häufiger gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, die gegen Glyphosat resistent sind. So werden weltweit schätzungsweise 160 Millionen Hektar mit gentechnisch veränderten Soja-, Mais-, Baumwoll- oder Rapspflanzen bestellt. Davon sind rund drei Viertel herbizidresistent. Mindestens 35 Millionen Tonnen Soja und Sojaschrot werden davon in die EU als Eiweißfuttermittel importiert und landen in den Trögen unserer Rinder, Schweine und Hühner. Pro EU-Bürger summieren sich so pro Jahr rund 79 Kilogramm Sojabohnen, die meist gentechnisch verändert und mit Glyphosat behandelt sind. Und das, obwohl sich nach wie vor drei Viertel der EU-Bürger gegen Gentechnik in Lebensmitteln aussprechen.

Durchbruch mit Gen-Pflanzen

Der US-Konzern Monsanto brachte Glyphosat unter dem Handelsnamen RoundupReady 1974 als Totalherzbizid auf den Markt. Der Durchbruch gelang jedoch erst mit einer neuen Technologie für Nutzpflanzen. Gentechnologisch wurde Soja so verändert, dass sie trotz des Herbizideinsatzes weiterwächst, das Unkraut jedoch welkt. Sogenanntes RoundupReady-Soja wurde erstmals 1996 in den USA angebaut. Im gleichen Jahr erhielt dieses Soja die EU-Zulassung zum Import und zur Verarbeitung. In der EU ist der Anbau dieser Glyphosat-resistenten Pflanzen bislang nicht erlaubt, wohl aber ihr Import, etwa als Futter- und Lebensmittel.
Glyphosat wird in verschiedenen Varianten vertrieben und mittlerweile von einigen Unternehmen produziert, da der Patentschutz ausgelaufen ist. Der größte Produzent von Glyphosat ist heute China. Die fertigen Produkte enthalten Glyphosat und weitere Hilfsstoffe, um die Ausbringung und Aufnahme in die Pflanzen zu erleichtern. Diese erhöhen noch zusätzlich die Toxizität.

Hilfsmittel erhöhen Giftigkeit

Glyphosat gelangt über verschiedene Pfade in den Boden: über die direkte Ausbringung, durch Abwaschen bei Regen und über Pflanzenmaterial und Wurzelausscheidungen. Über Auswaschung, Oberflächenabfluss und Spraydrift gelangt es auch ins Grund- und Oberflächenwasser. Im Boden bindet sich das Herbizid an Mikro­partikel und wird so schnell gebunden. Der Abbau im Boden erfolgt hauptsächlich durch Mikroorganismen und führt zum Abbauprodukt Aminomethyl-Phosphonsäure (AMPA). Diese Verbindung ist wesentlich stabiler als Glyphosat selbst, baut sich daher wesentlich langsamer ab und reichert sich im Boden an, abhängig vom Bodentyp. Bei leichten Böden kann es zu direkten Auswaschungen und Verlagerungen ins Trinkwasser kommen.

Besonders problematisch ist der Hilfsstoff Tallowamin. Das ist ein Netzmittel, das die Aufnahme des Giftes durch die Pflanze fördert. Solche Mittel erleichtern auch die Aufnahme durch Zellmembranen tierischer und menschlicher Zellen und weisen damit eine eigenständige Toxizität auf. Durch den Zusatz von Tallowamin und ähnlicher Stoffe wird der Einsatz von Glyphosat noch giftiger, insbesondere für aquatische Organismen. Mittlerweile wurde der Einsatz von Tallowamin in der Vorerntebehandlung aus gesundheitlichen Bedenken beschränkt. Das bedeutet, dass derart behandeltes Getreide weder verfüttert noch eingestreut werden darf. Für den menschlichen Verzehr gibt es jedoch keinerlei Einschränkungen (siehe Kasten).Roundup enthält in der Regel bis zu 15 Prozent polyethoxyliertes Tallowamin (POEA). Zwar gibt es auf dem deutschen Markt mit der Erstzulassung 2004 auch Glyphosat ohne Tallowamin. Diese Handelsmarken sind jedoch deutlich teurer.

Grenzwerte sind viel zu hoch

Der zulässige EU-Grenzwert für Glyphosat in Sojabohnen liegt bei 20 mg/kg (maximaler Rückstandswert MRL). Er war 1996 angehoben worden, als Monsanto herbizidresistente Sojabohnen einführte. Dieser Wert beruht auf einem Vorschlag der FAO, da bis zu 17 mg/kg Glyphosatrückstande in den Sojabohnen gefunden wurden. Bei Waldpilzen liegt er bei 50 mg/kg, da Pilze weitaus höhere Konzentrationen aufwiesen. Die Glyphosatbelastung gilt als unbedenklich, da nach Ansicht der Behörden die zulässige Gesamtbelastung der Verbraucher mit 0,3 mg/kg Körpergewicht (ADI-Wert) nicht überschritten wird. Da jedoch Glyphosat in steigenden Mengen in Tierfutter, Getreide und anderen Produkten angewandt wird, ist diese Behauptung fraglich. Daten, wie viel Glyphosat tatsächlich von einem Durchschnittsbürger in Deutschland aufgenommen wird, fehlen.

Für den Metaboliten AMPA sowie das Hilfsmittel Tallowamin gibt es keine Grenzwerte in der EU. Das dänische Pestizidmonitoring belegt, dass Glyphosat und AMPA aus der Wurzelzone behandelter Pflanzen ausgewaschen werden können und zwar in Konzentrationen, die erheblich über dem EU-Trinkwassergrenzwert liegen: Für Glyphosat und AMPA wurden Maximalwerte von 31 µg/l bzw. 1,6 µg/l gemessen, AMPA konnte noch zwei Jahre nach Glyphosat-Applikation nachgewiesen werden. In Teichen und Flüssen der USA wurden Glyphosat- bzw. AMPA-Konzentrationen mit Spitzenwerten von 1.700 µg/l bzw. 35 µg/l gefunden (WHO 2005).

Für Tallowamin, das deutlich toxischer ist als Glyphosat, gilt seit Juni 2010 in Deutschland ein neuer Grenzwert für Verbraucher von 0,1 mg/kg Körpergewicht als akzeptable tägliche Höchstdosis, da Hinweise auf gesundheitliche Risiken vorliegen. Daraus resultiert ein Verbot, mit Tallowamin behandeltes Getreide als Futtermittel und Einstreu zu verwenden. Für den menschlichen Verzehr gibt es jedoch keine Warnung oder Einschränkung.

Risiken für den Menschen

Glyphosat steht im Verdacht, in die Hormonbildung einzugreifen und krebserregend zu sein. Auch sein Abbauprodukt AMPA sowie das Hilfsmittel Tallowamin können menschliche Zellen schädigen. In Lateinamerika werden die Produkte per Flugzeug großflächig versprüht und schädigen so die Menschen direkt durch die Aufnahme über Haut und Atemwege. Verschiedene Beobachter berichten von erhöhten Krebsraten, Geburtsschäden, Neugeborenensterblichkeit, Immunerkrankungen, Nierenschäden sowie Haut- und Atemproblemen bei Menschen, die in der Nähe von Sojafeldern leben. Sojabohnen reichern das Gift an und werden als Futtermittel exportiert.
Die US-Umweltbehörde EPA zeigt in ihrer Aufstellung von Unfällen, die sich bei der Anwendung von Glyphosat ereignet haben, dass bei höheren Dosierungen insbesondere Schäden an Haut und Nervensystem zu erwarten sind. Die EPA verlangt jetzt erstmals derartige Studien im Rahmen der Glyphosat-Neubewertung. Epidemiologische Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Glyphosat und verschiedenen Blut­erkrankungen hergestellt.

Steigende Rate an Fehlgeburten

Die Wirkstoffe sind zudem plazentagängig, das heißt, sie gehen in die Gebärmutter über. Glyphosat stört selbst bei niedrigen Dosen die Embryonalentwicklung erheblich, wie Tierversuche mit Amphibien und Hühnerembryos zeigen. Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang zwischen der Anwendung von Glyphosat und Geburtsfehlern beim Menschen, wie sie in Argentinien beobachtet wurden. 2010 wurde ein Bericht über Gesundheitsprobleme von Menschen in Argentinien veröffentlich. Demnach kommt es im Umfeld von Glyphosat behandelten Feldern gehäuft zu Fehlgeburten, Anenzephalie (Fehlen von Kopfbereichen) sowie erhöhten Fehlbildungs- und Krebsraten bei Kindern. Diese gravierenden Gesundheitsschäden traten vor allem bei Familien auf, die in der Nähe der RoundupReady-Sojafelder leben. Ihre eindringlichen Berichte dokumentiert ein Dokumentarfilm des Naturschutzbund Deutschland NABU.

Mütter aus Argentinien haben sich in diesem Herbst auf den Weg nach Deutschland gemacht, um über die katastrophalen Folgen des Glyphosateinsatzes in ihrem Heimatland zu berichten. In Argentinien stieg der Einsatz von Agrochemikalien von 30 Millionen Litern im Jahr 1990 auf 340 Millionen Liter im Jahr 2011 – vor allem auf Sojafeldern, auf denen Futtermittel für die europäische Fleischproduktion wachsen. „Meine kleine Tochter starb an einer Nierenmissbildung“, erzählt Sofia Gatica. In ihrer Stadt Ituzaingó liegt die Rate der an Krebs Verstorbenen mit 33 Prozent weit höher als der argentinische Landesdurchschnitt von 18 Prozent. Die zuständigen Behörden wie auch das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bestreiten allerdings, dass die wissenschaftlichen Belege ausreichen, um daraus ein Risiko für Menschen abzuleiten.

Ökosysteme nehmen Schaden

Glyphosat beeinflusst auch das Bodenleben, fördert bestimmte krankheitserregende Pilze wie Fusarien und beeinträchtigt die Aufnahme von Mikronährstoffen, den Ertrag und die Krankheitsabwehr der Pflanzen. Dies gilt auch für transgene Glyphosat-resistente Nutzpflanzen. Neben den direkten toxischen Effekten durch Glyphosat gefährdet seine Wirkung als Breitbandherbizid auch zahlreiche andere Organismen. Denn durch die Vernichtung der Wildkrautflora gehen Nahrungsquellen und Lebensräume verloren. Herbizide reduzieren die Vielfalt im Boden und wirken sich damit längerfristig auf die Biodiversität im Agrarraum aus. Die Beikrautflora spielt auch eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Erosion und Schädlingen, da sie die Bodenkrume festhält, vielen Nützlingen Nahrung und Lebensraum bietet und für Schädlinge eine alternative Nahrungsquelle sein kann. Amphibien sind besonders gefährdet durch Glyphosat. Denn zum einen können in kleineren, flachen Gewässern der Agrarlandschaft, die wichtige Lebensräume für die Larval- und Jugendstadien sind, vergleichsweise hohe Glyphosat- und Round­up-Konzentrationen auftreten, zum anderen scheinen die Wirkstoffe durch die Amphibienhaut besonders gut aufgenommen zu werden.

Glyphosatverbrauch steigt dramatisch an

In Deutschland wird Glyphosat im Getreide-, Obst- und Weinanbau sowie in Hausgärten eingesetzt. Die Mengenangaben schwanken zwischen 4000 bis zu 8000 Tonnen für das Jahr 2010, erwartet werden über 10.000 Tonnen. Weltweit nimmt der Glyphosatverbrauch ebenfalls dramatisch zu. In den USA hat sich der Anteil von Glyphosat am Gesamtpestizidverbrauch von 1996 mit 9 Prozent auf heute 73 Prozent erhöht. So wurde auf Flächen, die mit Glyphosat-resistenten Pflanzen bestellt sind, etwa 11 Prozent mehr Herbizide eingesetzt als auf konventionellen Sojafeldern. Das belegen auch Daten aus Argentinien und Brasilien. Damit sind Argumente der Hersteller widerlegt, der Anbau herbizidresistenter Pflanzen führe zu einem verringerten Herbizidverbrauch.

Wir alle tragen Verantwortung

Im Gegenteil: Der Einsatz steigt weltweit an. Der breite und vielfach ausschließliche Einsatz von Glyphosat zur Beikrautbekämpfung begünstigte die rasche Evolution resistenter Beikrautarten. Mindestens 21 Glyphosat-resistente Arten sind derzeit bekannt, ihre Zahl dürfte sich weiter erhöhen. Das wird zu einem weiteren Anstieg des Herbizidverbrauchs führen. Zwecks Kontrolle dieser resistenten oder toleranten Arten werden in der Regel höhere Glyphosatdosen, Mehrfachapplikationen und Tankmischungen mit anderen, oft alten Herbiziden eingesetzt. In Reaktion auf die Resistenzentwicklung bei Beikräutern entwickelt die Industrie sogenannte stacked traits, gentechnisch veränderte Pflanzen, die nicht mehr nur gegen Glyphosat unempfindlich sind, sondern Resistenzgene gegen weitere Herbizide aufweisen, die alternativ oder als Tankmischung im Wechsel mit Glyphosat empfohlen werden. Diese Herbizide sind unter anderem Paraquat, 2,4-D und Dicamba. Das Mittel Paraquat von Syngenta ist höchst umstritten und wird zum „schmutzigen Dutzend“ gezählt. Wegen seiner hohen Giftigkeit für den Menschen darf es seit Juli 2007 in der EU nicht mehr angewendet werden. Das Mittel Dicamba beeinflusst die Fruchtbarkeit negativ und gefährdet das Grundwasser. Mit diesen alten Herbiziden würde also weiterhin der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben und der sich ständig erhöhende Herbizideinsatz noch befeuert.

Der Anbau von gentechnisch veränderter Soja für Futtermittel oder gentechnisch verändertem Mais für Biosprit kommt den reichen Ländern des Nordens zu Gute, wandert in die Futtertröge der Nutztiere oder in die Tanks unserer Autos. Insofern tragen wir alle mit unserem Lebensstil eine Mitverantwortung an der humanen und ökologischen Katastrophe durch den massiven Einsatz von Glyphosat. Das billige Leben im Schlaraffenland hat seinen Preis. Für eine Veränderung müssen die Kosten für unsere Lebensmittel in Zukunft die Wahrheit sagen: Was wurde an Wasser verbraucht, wie viel CO2 wurde emittiert, wie viel Land versiegelt oder Flüsse verschmutzt? Bislang trägt die Gesellschaft zwar die Kosten für die entstandenen Schäden, die Gewinne fahren aber die Unternehmer ein.

Linktipp: NABU-Studie: Unkrautkiller schaden auch dem Menschen

Quelle https://www.ugb.de/lebensmittel-im-test/glyphosat/

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