Teil des Regierungsabkommens ist die Abschaffung der Jugendvertrauensräte. Sie vertreten die Interessen der Lehrlinge in Unternehmen. Ohne sie gehen Mitspracherechte und Ausbildungsqualität verloren, mehr als ein Drittel der Lehrlinge darf dann nicht einmal mehr den Betriebsrat wählen.
Corina muss jetzt mal verschnaufen. Soeben hatte sie ein anstrengendes Gespräch mit der Filialleiterin ihres Bankbetriebes, denn Corina ist dort Jugendvertrauensrätin (JVR). Es ging um die Arbeitszeit von Lehrling Andrea, die unbezahlte Überstunden leisten muss. Sie wird überwiegend fürs Kaffee Kochen und Kopieren von Unterlagen eingesetzt, erfährt jedoch kaum etwas rund ums Bankengeschäft.
„Je weniger Zeit der Betrieb in die Ausbildung der Lehrlinge investiert, desto mehr setzen dann ihre Lehrabschlussprüfung in den Sand“, erklärt Corina.
Starke Stimme für Lehrlinge
Ständiges Ringen mit der Personalabteilung, aber auch der Filialleitung ist das täglich Brot von JugendvertrauensrätInnen. Ihre Aufgabe ähnelt jener von BetriebsrätInnen, ist aber speziell für Jugendliche – eine besondere Errungenschaft der siebziger Jahre.
1974 führte die sozialistische Alleinregierung diese Stimme von Jugendlichen für Jugendliche ein. Sie werden aus der Mitte der Lehrlinge gewählt und können – wie der Betriebsrat – in jedem Unternehmen mit mehr als fünf Lehrlingen gewählt werden. Und zwar alle zwei Jahre – nicht alle fünf Jahre wie Betriebsräte. Die Funktion des Jugendvertrauensrates ist ehrenamtlich, er oder sie genießt jedoch besonderen Kündigungsschutz.
Nachhilfe organisieren, Prämien verhandeln
Corina hat sich nun einen Tee geholt, sie ist zufrieden, ihre Chefin zeigte sich recht verständnisvoll. Corinas Ziel ist, dass der Betrieb die guten Leistungen von Lehrling Andrea in der Berufsschule anerkennt. Sie möchte gemeinsam mit Betriebsrat und Geschäftsführung ein Prämienmodell verhandeln: Für gute Erfolge soll der Betrieb Belohnungen vergeben, das spornt den Ehrgeiz beim Lernen an. Für Lehrlinge, die in der Berufsschule schlechte Noten schreiben, organisiert Corina Nachhilfe und zusätzliche Unterstützung.
Mehr Zufriedenheit und Motivation durch JVR
Diese Fürsprache wird auch dringend gebraucht, denn laut Lehrlingsmonitor 2015 wird nur die Hälfte der Lehrlinge für rein ausbildungsbezogene Tätigkeiten eingesetzt. Jeder dritte gibt sogar an, (sehr) häufig ausbildungsfremde Tätigkeiten auszuüben. Und jeder Vierte muss unfreiwillig Überstunden machen.
Fast die Hälfte der Befragten (44 Prozent) sagt, sie würde den/die verantwortliche/n AusbildnerIn nie oder nur selten im Betrieb sehen.
In ganz Österreich kämpfen derzeit rund 1.000 JugendvertrauensrätInnen für die Arbeitsplatzqualität junger Menschen – mit Erfolg: Aus dem Lehrlingsmonitor geht hervor, dass in jenen Betrieben, die über einen JVR verfügen – etwa Banken oder Industrie, auch die Zufriedenheit der Lehrlinge überdurchschnittlich hoch ist.
Doch wie lange noch?
Die Gewerkschaftsjugend warnt seit Dezember davor, dass die Abschaffung der Jugendvertrauensräte im Regierungsprogramm steht. Dort heißt es: „Das aktive Wahlalter bei Betriebsratswahlen wird von 18 auf 16 Jahre gesenkt (Harmonisierung mit „Wählen ab 16“) und ersetzt den Jugendvertrauensrat.“
Als „Zuckerl“ soll also das Wahlalter der Betriebsratswahl auf 16 gesenkt werden, aber „die meisten Lehrberufe in Österreich haben eine dreijährige Lehrzeit“, wie GPA-djp-Jugendvorsitzende Susanne Hofer zu Bedenken gibt. Viele Lehrlinge kommen dann gar nicht mehr zum Wählen, da sie zuvor schon wieder aus dem Betrieb ausscheiden. Und alle unter 16 – immerhin knapp ein Drittel aller Lehrlinge in Österreich – dürften gar nicht mehr wählen. „Das ist Demokratieabbau.“
Vertretung nützt allen
Die älteren Betriebsräte müssten in Zukunft die Agenden des Jugendvertrauensrates übernehmen: kein guter Plan, findet Corina. Sie agiert oft auch als Streitschlichterin zwischen Lehrlingen, und zwar stets auf Augenhöhe, sie ist ja selbst jugendlich: „Wir verstehen einander und reden auch über sehr Privates, was in die Arbeit hineinspielt.“ Die Abschaffung der JVR schwächt am Ende auch die Unternehmen, bekräftigt Susanne Hofer von der GPA. „Schlechter ausgebildete, unzufriedene Lehrlinge schaden auch der Wirtschaft. Wir fordern Ausbildung statt Ausbeutung.“
Quelle.https://kontrast.at