Viele Vorhaben von Schwarz-Blau haben schon im ersten Monat der Amtszeit für Wirbel gesorgt: Der 12-Stunden-Tag, das Streichen der Jobförderung für Langzeitarbeitslose, das Streichen der Notstandshilfe und die Schwächung der Arbeiterkammer. All diese Maßnahmen sind Teile einer Salami-Taktik: In kleinen Schritten soll in Österreich ein Billiglohn-Sektor entstehen.
Es gibt staatliche Ausgaben, die kürzt man nicht aus finanziellen Gründen: Etwa die Aktion 20.000 für Langzeitarbeitslose oder die Notstandshilfe. Die Einsparungen bringen dem Staatshaushalt nichts, die Auswirkungen für Betroffene sind aber katastrophal. Also liegt der Grund für die Kürzungen wo anders.
Das Ziel von Schwarz-Blau ist ein Billiglohn-Sektor. Österreichs Arbeitsmarkt war bis heute weitgehend geschützt vor Hungerlöhnen, weil es für fast alle ArbeitnehmerInnen Kollektivverträge gibt (die Abdeckung liegt bei 98 Prozent) und das Sicherheitsnetz im Fall von Arbeitslosigkeit und Krankheit engmaschig ist. Das wollen ÖVP und FPÖ jetzt ändern.
1. Ohne Kollektivverträge ist jeder sich selbst überlassen
Geht es nach der neuen Regierung, sollen Betriebsvereinbarungen die Kollektivverträge ersetzen. Schwarz-Blau testet das gleich beim 12-Stunden-Tag: Vereinbarungen über die zulässige Mehrarbeit sollen nur mehr auf betrieblicher Ebene oder mit jedem Arbeitnehmer einzeln ausgehandelt werden. Nicht mehr für die gesamte Branche.
Das entspricht auch den Forderungen der FPÖ in ihrem Wirtschaftsprogramm: Kollektivverträge sollen nicht mehr für die gesamte Branche ausgehandelt werden. Jeder Betrieb soll einzeln festlegen, wie 13. und 14. Gehalt, Mindestlöhne, Überstunden, Nachtzuschläge, usw. geregelt sind.
Wenn in jedem Betrieb einzeln verhandelt wird, haben ArbeitnehmerInnen einen großen Nachteil: Ihre Verhandlungsmacht ist schwach, mitunter sehr schwach. Es gibt weder einen gesetzlichen Mindestlohn, noch einen gesetzlichen Anspruch auf das 13. und 14. Gehalt – diese sind nur kollektivvertraglich geregelt.
Während es in Österreich für etwa 98% der Arbeitnehmer Kollektivverträge gibt, sind es in Deutschland nur 45%. Und Deutschland ist eines der Länder mit dem größten Niedriglohnsektor Europas.
2. Notstandshilfe wird gestrichen und auf Sparbücher zugegriffen
Die schwarz-blaue Regierung plant außerdme, die Notstandshilfe abzuschaffen. Derzeit kann sie nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes beantragt werden und beträgt etwa 90% davon. Anders als die Mindestsicherung ist die Notstandshilfe eine Versicherungsleistung. Das bedeutet, man hat zuvor in das System eingezahlt und bekommt davon etwas zurück: Etwas Geld, um Zeit zu haben, einen neuen Job zu suchen. Und nicht den nächsten Billigjob annehmen zu müssen, weil man sonst verhungert oder obdachlos wird.
Der Plan von ÖVP und FPÖ: Ohne Notstandshilfe, fallen arbeitslose Menschen nach rund einem Jahr in die Mindestsicherung. Dann hat der Staat Zugriff auf ihr “Vermögen”, also Sparbücher, Auto oder Haus. Monat für Monat verliert man einen Teil des eigenen Besitzes. Und anders als bei der Notstandshilfe werden nun auch keine Pensionsversicherungszeiten mehr erworben.
Bei all dem spart der Staat kaum Geld – oft ist die Notstandshilfe sogar niedriger als die Mindestsicherung. Es geht nur um den Druck auf Arbeitslose, auch schlechte und schlecht bezahlte Jobs annehmen zu müssen.
„Eine Streichung der Notstandshilfe stürzt bis zu 160.000 Menschen in Einkommensarmut. Das ist ein historischer Systembruch hin zu einem Hartz IV-System in Österreich”, erklärt Judith Pühringer, die Geschäftsführerin von Arbeit plus gegenüber der Presse. In Deutschland ist durch Hartz IV die Zahl der armutsgefährdeten Menschen stark gestiegen, der Niedriglohnsektor dort ist einer der größten in Europa und das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit hat sich verschärft.
3. Keine Jobförderung mehr: Aktion 20.000 wird gestrichen
FPÖ und ÖVP haben die Aktion 20.000 gestrichen – noch bevor die Testphase überhaupt evaluiert wurde. Die Aktion 20.000 gab Landzeitarbeitslosen über 50 die Chance, zurück ins Berufsleben zu kehren. In den Testregionen ging die Arbeitslosigkeit in der Generation 50+ zurück, im Rest des Landes ist sie weiter gestiegen. Trotzdem wurde sie von der Regierung eingestampft.
Die Aktion setzte auf direkte Beschäftigung. Menschen, die wegen ihres Alters in Betrieben nur mehr geringe Chancen auf einen Job haben, sind von Gemeinden und gemeinnützigen Organisationen beschäftigt worden.
Die Kosten waren gering: Nur 100 Euro kostete die Beschäftigung pro Monat mehr als die Arbeitslosigkeit. Denn die Teilnehmer erhalten kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe mehr und zahlen Sozialversicherungsabgaben. Darüber hinaus ist zu bedenken: Wer von Langzeitarbeitslosgikeit betroffen ist, wird öfter krank – das bedeutet also signifikant höhere Kosten für das Gesundheitssystem, die durch das Schaffen von Jobs vermieden werden.
Ziel von ÖVP und FPÖ ist mehr Druck auf Arbeitslose: Die Notstandshilfe wird abgeschafft, das trifft vor allem ältere Arbeitslose über 50. Genau jene, die über die Aktion 20.000 wieder in den Arbeitsmarkt finden würden – mit fairer Bezahlung und Kollektivvertrag. Jetzt hat jemand über 50 ohne Job nur eine Wahl: Entweder er akzeptiert Altersarmut oder er nimmt den nächstbesten Billigjob. Und wer glaubt, all das betrifft ihn nicht: Wenn viele Menschen zu Hungerlöhnen arbeiten müssen, bedeutet es Lohndruck – und zwar für alle ArbeitnehmerInnen.
4. ArbeitnehmerInnen sollen keine Lobby haben
FPÖ und ÖVP wollen die AK-Umlage halbieren. Sie behaupten, damit die Arbeitnehmer zu “entlasten”. Real kann die “Ersparnis” aber nicht mehr als 7 Euro monatlich sein. Was sind jedoch die spürbaren Folgen? Die Arbeiterkammer muss ihre Leistungen einschränken – und wird deutlich weniger Geld für ihre Mitglieder erstreiten. Derzeit holt sie jährlich über 500 Mio. Euro für ArbeitnehmerInnen zurück. Letztlich ist die AK-Schwächung eine teure Angelegenheit für die ArbeitnehmerInnen.
Das Senken der AK-Umlage ist eine Leistungskürzung zur Schwächung von ArbeitnehmerInnen. Das als “Entlastung” zu verkaufen, ist in etwa so, als würde man Autos ohne Stoßstangen, Seitenspiegel, Gurte und Airbags wegen ihres niedrigeren Spritverbrauchs als Fortschritt bejubeln.
Eine geschwächte Arbeiterkammer hat weniger Möglichkeiten, die Interessen der ArbeitnehmerInnen zu vertreten. Große Betriebe mit starken Gewerkschaften und engagierten Betriebsräten werden diese Lücke füllen können. Kleine Betriebe oder Branchen bleiben aber auf sich allein gestellt. Kommen dann Kollektivverträge auf Betriebsebene, steht den Billigjobs nichts mehr im Weg.
5. Mehr Lohndruck durch mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland
Relativ stillschweigend will die schwarz-blaue Bundesregierung den Arbeitsmarkt für Zuwanderer aus Drittstaaten öffnen. Während Flüchtlinge öffentlichkeitswirksam schikaniert werden, sollen der Wirtschaft künftig mehr ausländische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen: 150.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland sollen in den nächsten fünf Jahren kommen.
Die Zahl der Berufe, in denen unbegrenzte Zuwanderung aus Drittstaaten möglich ist, wird von derzeit 11 Berufen auf 63 Berufe erhöht. Auch Koch/Köchin, MaurerIn, FriseurIn, KosmetikerIn, KellnerInnen und ungelernte Kräfte wie Sicherheitspersonal oder Platzanweiser im Reinigungswesen werden künftig darunter fallen. Und das, obwohl es in diesen Berufen tausende Arbeitslose gibt:
- Ende November waren österreichweit fast 21.000 KellnerInnen arbeitslos oder in Schulung vorgemerkt, selbst in der Hochsaison zu Weihnachten werden es noch 15.000 sein.
- Arbeitslose KöchInnen gab es Ende November fast 11.000 und auch da werden es zu Weihnachten noch immer 7.000 sein.
- Vorgemerkte FriseurInnen und KosmetikerInnen gibt es österreichweit gegenwärtig mehr als 4.300.
Anstatt also Arbeitsbedingungen zu verbessern, machen ÖVP und FPÖ Klientelpolitik für jene, die keine fairen Löhne zahlen und sich stattdessen Arbeitskräfte aus dem Ausland holen wollen. Wenn der Druck am Arbeitsmarkt durch mehr Konkurrenz steigt, wird das Anlass für die Regierung sein, pauschal Ängste vor MigrantInnen zu schüren und die Gesellschaft zu spalten.
Quelle.https://kontrast.at