19.02.2007
Keine Bürgerrechte für Arbeitslose?
Erwerbsarbeitslose müssen immer weitreichendere Einschränkungen ihrer Bürgerrechte hinnehmen und haben wenige Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Wer protestiert, dem droht die Sperre des Bezugs; und der ist in vielen Fällen gering genug.
Diskussionsrunde mit Herbert Buchinger und Arbeitslosen
Nicht nur die Zahl der Arbeitslosen nimmt zu, sondern auch der Druck, der auf sie ausgeübt wird. Unter Androhung der Sperre der staatlichen Unterstützung werden sie zwangsweise in Kursmaßnahmen und Schulungen verfrachtet und unter zweifelhaften Bedingungen „verliehen.
Geldsperren als „Erpressung“
Arbeitslose müssen immer weitreichendere Einschränkungen ihrer
Bürgerrechte hinnehmen und haben wenige Möglichkeiten, sich dagegen zu
wehren, denn wer protestiert, dem droht die Sperre des Bezugs, und der
ist in vielen Fällen gering genug: Der durchschnittliche Bezug eines
Arbeitslosen liegt im ersten Jahr bei etwa 700 Euro pro Monat. Nach
einem Jahr wird der Betroffene zum Langzeitarbeitslosen und erhält nur
noch Notstandshilfe; das sind im Schnitt 550 Euro monatlich.
Die Sperren werden von den AMS-Mitarbeitern verhängt, wenn der
begründete Verdacht auf „Vereitelung eines Arbeitsverhältnisses
herrscht, oder wenn Arbeitsunwilligkeit des Betroffenen angenommen wird.
Dieser Tatbestand kann als erfüllt angesehen werden, wenn der
Erwerbsarbeitslose an einer ihm zugewiesenen Schulung nicht teilnimmt,
in einen Konflikt mit einem Kursleiter gerät oder auf andere Art und
Weise mangelnde Kooperationsbereitschaft zeigt.
Heftige Kritik am AMS
Diese Zwangskurse werden von Langzeitarbeitslosen heftig kritisiert:
Umschulungen und Weiterbildungen seien zwar mitunter sehr sinnvoll und
hochwillkommen, heißt es allgemein, ebenso häufig könne es jedoch
passieren, dass ein studierter Betriebswirt in einen
betriebswirtschaftlichen Kurs eingewiesen werde, dass ein ehemaliger
Manager mit guten Englisch-Kenntnissen einen Englischkurs absolvieren
oder dass ein Betroffener mehrmals hintereinander eine „Coaching- oder
Aktivierungsmaßnahme ähnlichen Inhalts besuchen müsse.
Gerade Frauen mit Kindern geraten hierbei in schwierige Situationen.
Mitunter werden sie mitten im Sommer, während der Schulferien, vom AMS
kurzfristig in eine solche Kursmaßnahme eingewiesen, ohne dass Rücksicht
auf Kinderbetreuungsmöglichkeiten genommen wird.
AMS-Reaktionen
Das AMS gibt zwar auf Anfrage an, solche Härtefälle zu bedauern, aber
AMS-Chef Herbert Buchinger gibt sich andererseits gelassen:
Bei einem Diskussionsabend mit der Arbeitsloseninitiative „Zum Alten
Eisen Ende letzter Woche meinte er, angesichts der zahlreichen
Schulungen jährlich gebe es auch „Tausende Fehler im Rahmen der
Toleranzgrenze.
Mehr Mitspracherecht und Menschenwürde
Derzeit formieren sich jedoch immer mehr Arbeitsloseninitiativen, die
sich gegen die Einschränkung ihrer Grundrechte wehren. Sie fordern
Mitspracherecht bei den Arbeitslosenbestimmungen, mehr Qualität und
Freiwilligkeit bei den Schulungen und alles in allem auch mehr
Menschenwürde für Arbeitslose.
Insbesondere ältere Arbeitssuchende fühlen sich häufig stigmatisiert,
obwohl sie durchaus noch willens und in der Lage wären, einer
Beschäftigung nachzugehen.
„Schön gefärbte“ Arbeitslosenstatistik
Auch die Arbeitslosenstatistik ist nicht immer sehr realitätsnah: Wer
sich in einer AMS-Schulungsmaßnahme befindet, scheint in der
Arbeitslosenstatistik nicht mehr auf.
Ebenfalls von der Arbeitslosenstatistik ausgenommen sind Arbeitssuchende
im Krankenstand, Arbeitssuchende, die im Rahmen einer Sanktionsmaßnahme
vorübergehend vom Bezug gesperrt sind, Bezieher des so genannten
Übergangsgeldes zur Pension sowie ältere Arbeitssuchende, die eine
Invaliditätspension beantragt haben und noch auf die Entscheidung
warten.
Versteckte Arbeitslose
Darüber hinaus gibt es auch versteckte Arbeitslose: Das sind solche, die kein Anrecht auf Arbeitslosengeld haben, etwa, weil sie die für den Bezug erforderlichen Versicherungszeiten nicht beisammen haben. Oder auch Frauen, die zwar gerne arbeiten würden, aber keinen Job finden und daher zu Hause bleiben, ohne sich arbeitslos zu melden.
Ebenso wenig mitgezählt werden Lehrstellen suchende Jugendliche und Frühpensionisten, die zwangsweise in den Ruhestand geschickt werden, etwa Beamte oder Eisenbahner.
Links
https://anti-ams.at/
https://arbeitslosennetz.org/arbeitslosigkeit/rechtshilfe/datenschutz_ams.html
https://arbeitslosen-forum.at/
https://aktive-arbeitslose.at/
Quelle https://oe1.orf.at/artikel/202084/Keine-Buergerrechte-fuer-Arbeitslose