Politisch gewollt: Alle Macht der Angst
Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut. Mit dieser Weisheit des antiken Staatsmannes Perikles ist es derzeit nicht weit her. Während Freiheit und Mut eigentlich politisch beliebte Wechsel im Kampf um Stimmung und Stimmen sind, ist Angst momentan die gängige Münze der regierenden Politik.
„Bald wird jeder jemanden kennen, der an Corona gestorben ist“, prophezeite Bundeskanzler Sebastian Kurz Ende März. Er konkretisierte also die finstersten Prognosen, um im Volk Angst zu verbreiten. Die bloßen Corona-Zahlen, die je nach statistischer Ausdrucksweise – in Letalitätsraten von unter einem Prozent oder in großen absoluten Zahlen der Todesopfer unter Annahme einer hohen Durchseuchung – sowieso mehr oder weniger bedrohlich erscheinen, bekamen mit Kurz’ Einschüchterung ein Gesicht. Wen trifft es? Den Bruder, den Freund, den Vater, die Mutter, die Ehefrau? Der Kanzler weckte die ureigene Angst, einen Angehörigen zu verlieren oder – schlimmer noch – an dessen Tod ursächlich beteiligt zu sein.
Angst anstatt Ehrlichkeit
Hier war die Verbreitung der Angst Mittel der Manipulation, um die Bürger die bittere Medizin der Corona-Verordnungen herunterwürgen zu lassen.
Der mündige Bürger aber hat etwas anderes verdient als jene Infantilisierung, die ihm mögliche Szenarien als Schauergeschichten präsentiert. Vater Staat ist nicht dazu da, ihm den Poltergeist im Keller in grellen Farben auszumalen und ihn zum Bravsein aufzufordern, sondern ihm Ängste zu nehmen, ohne freilich auf Erklärungen und Tatsachen zu verzichten. Der Bürger muss in die Lage versetzt werden, auf Basis von Fakten, die ihm die Regierung zugänglich macht, Verordnungen aus den Ministerien – sowie Risiken – selbst zu bewerten. Das nennt man Transparenz. Wie Selbstbestimmung und Eigenverantwortung ist sie wesentlich für das nachhaltige Vertrauen für den Erhalt einer funktionierenden Demokratie.
Dass das Maß an Angst, das man von höchster Stelle streut, kein Indiz für Ehrlichkeit ist, sondern politischem Kalkül unterliegt, zeigt der Vergleich zu einem Ereignis im November 2015, kurz nach den Anschlägen in Paris. Damals sagte der deutschen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nach der terrorbedingten Absage eines Fußballländerspiels auf die Frage nach den konkreten Gründen: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“
Politisch gewollte und ungewollte Angst
Angst ist auch in anderer Hinsicht ein entscheidendes Instrument im politischen Betrieb: Den „besorgten Bürgern“, die sich seit 2015 immer wieder zu den negativen Entwicklungen einer unkontrollierten Massenzuwanderung artikuliert haben, unterstellte man über eine vernunftwidrige Haltung hinaus Phobien, also eine therapiewürdige krankhafte Angststörung. Mit dieser Pathologisierung wird eine Bewertung, ob Sorgen berechtigt oder unberechtigt sind, ob die Politik versagt oder nicht, obsolet. Wir sehen: Angst kann den Tonangebern in Parlamenten und Redaktionen für eine politische Agenda dienlich sein, sei es, dass sie direkt geschürt wird („Ich will, dass ihr in Panik geratet.“ Greta Thunberg), sei es, dass sie als Klassifikation benutzt wird, um abweichende Meinungen abzutun. In jedem Fall ist sie geeignet, den demokratischen Diskurs zu unterdrücken.
Unsicherheit und Denunziation
Wenn Mut die Bedingung für Freiheit ist, geht mit dem Gegenteil, der Angst, ein Verlust an Freiheit einher. Nicht nur die Bewegungsfreiheit ist massiv eingeschränkt worden, auch die Meinungsfreiheit erleidet Einschnitte. Wer eine andere Ansicht als der Kanzler vertritt, wird von ihm schon einmal als „dumm“ bezeichnet, wer auf der Verfassungsmäßigkeit der Corona-Bestimmungen beharrt, der übt sich laut Kurz in „juristischen Spitzfindigkeiten“.
Es finden sich Hilfssheriffs, die sich einen Erziehungsauftrag anmaßen und diesen mindestens durch böse Blicke bei renitenten Mitbürgern durchzusetzen versuchen, im Zweifel aber den Notruf wählen, wenn sich haushaltsfremde Besucher beim Nachbarn sehen lassen. Auf wie viele soziale Kontakte (die, der offiziell kommunizierten Lesart zum Trotz, im privaten Bereich nie verboten waren!) wurde aus Angst vor Denunziation in den letzten Wochen verzichtet? Und mit welchen Einschränkungen ging die Angst einher, gegen eines der mit Absicht undurchsichtig formulierten Gebote zu verstoßen? Die gesundheitlichen Folgen der durch solche Ängste selbst verhängten Isolation sind noch genauso wenig abzusehen wie die gesellschaftlichen Konsequenzen von Misstrauen und Vereinzelung.
Angst aus psychologischer Sicht
Und man darf auch nicht vergessen, dass Angst einen entwicklungsgeschichtlichen Nutzen hat. Das autonome Nervensystem reagiert auf Angst mit erhöhter Aktivität – ein überlebenswichtiger Mechanismus, um Gefahren mit Aufmerksamkeits- und Handlungspotenzial sowie gesteigerter Leistungsfähigkeit zu begegnen. Allerdings scheint die im zentralen Nervensystem sitzende, vermutlich genetisch programmierte und an Instinkte gebundene Angst bei kollektiven und zeitlich entfernten Gefahren ihren Funktionen nicht immer gerecht zu werden. Anteil daran haben verbreitete Bilder und Meldungen. Die Psychologie weiß, dass die Risikobewertung mit fehlerbehafteten „Verfügbarkeitsheuristiken“ – welche Bilder und Schemata sind im Gedächtnis präsent? – zu tun hat: Gefahren, über die in Massenmedien ausführlich gesprochen wird (etwa Flugzeugabstürze, Naturkatastrophen), werden im Gegensatz zu real wahrscheinlicheren Bedrohungen (Herzinfarkt, Diabetes, Verkehrsunfall) überschätzt.
Angst in der Philosophie
Auch aus philosophischer Sicht gehört es nicht zu den Aufgaben der Politik, die Menschen das Fürchten zu lehren. Das Gefühl der Angst, seine Einordnung und Beherrschung bleibt jedem selbst existenzielle Aufgabe. Im Rahmen der staatlichen Möglichkeiten liegt es, Sicherheit und Freiheit zu ihrer Bewältigung zu gewährleisten.
Quelle https://www.info-direkt.eu/2020/09/13/politisch-gewollt-alle-macht-der-angst/