Arbeitslosigkeit erhöht die Depressionsgefahr
Die Arbeit ist ein wichtiger Pfeiler des menschlichen Daseins. Bricht dieser Pfeiler weg und man wird arbeitslos, steigt für Betroffene die Gefahr einer psychischen Krankheit wie Depression. Häufig werden die Erkrankungen aber nicht erkannt.
In der EU waren Ende 2013 über 26,5 Millionen Menschen arbeitslos. im Februar dieses Jahres 24,55 Millionen Menschen arbeitslos. Im Euro-Raum betrug die Arbeitslosenquote 12,1%, im Durchschnitt der 28 EU-Mitgliedsländer lag sie bei 10,9%. In Spanien und Griechenland kletterte die Arbeitslosenquote auf 27,8 resp. 25,8%. Mit einer Quote von 3,2 Prozent lag die Quote in der Schweizer vergleichsweise sehr tief.
Arbeitslosigkeit: Ein grosser Einschnitt ins Leben
Das sind aber nur Zahlen, entscheidend ist, wie die Betroffenen die Arbeitslosigkeit verkraften. Nicht für alle ist die Arbeitslosigkeit gleich schlimm. Die staatliche Unterstützung ist unterschiedlich und es gibt Menschen, die die Zuversicht nicht verlieren, die in der Arbeitslosigkeit auch die Chance für einen Neuanfang sehen. Für ganz viele Betroffene ist sie aber ein grosser Einschnitt. Oft sind psychische Erkrankungen wie eine Depression die Folge.
Arbeit als Mittelpunkt des Lebens
Ein Grund für die Probleme, die Arbeitslosigkeit mit sich bringt, ist in unserer Einstellung zur Arbeit zu suchen. In der Antike war Arbeit noch verpönt. Und auch im Mittelalter wurde Arbeit bis zur Reformation noch als Mühsal, ja eigentliche Strafe aufgefasst. Erst viel später entwickelte sich die sogenannte protestantische Arbeitsethik. Sie ist gekennzeichnet durch die Vorstellung von Arbeit als Pflicht und von der Arbeit als Mittelpunkt des Lebens, um den herum die Freizeit gestaltet wird.
Als Grundmodell dienen diese Vorstellungen heute noch, aber natürlich ist die Entwicklung fortgeschritten. Arbeit muss heute nicht Pflicht sein und einzig dem Broterwerb dienen. Sie kann mit Leidenschaft erfüllt werden, sie kann Spass und Freude machen. Sie kann spannend und herausfordernd sein. Arbeitszeitmodelle ermöglichen heute mehr Flexibilität. Und Unternehmen sind heute sehr oft auch ein Teil des sozialen Lebens der Beschäftigten.
Die Absagen auf Stellenbewerbungen schwächen das Selbstwertgefühl von Menschen, die arbeitslos sind
Der ökonomische Faktor
Als weitere Gründe für die häufig auftretenden psychischen Probleme nennt Mohr, dass Menschen die nicht arbeiten, in der Gesellschaft diskriminiert und stigmatisiert würden. Der Druck, jeden Tag mit zum Teil sehr wenig Geld auskommen zu müssen, ist ein weiterer Stressfaktor.
Und nicht nur der Ausbruch einer Depression ist von sozialen Umständen abhängig, sondern auch der weitere Verlauf. Der Depressionsforscher Kenneth Kendler hat herausgefunden, dass ökonomische Schwierigkeiten sich am ungünstigsten auf die depressive Entwicklung auswirken.
Arbeitslose häufiger von einer Depression betroffen
Die Arbeit ist also ein Hauptpfeiler des menschlichen Daseins. Und entsprechend dramatisch können die Folgen sein, wenn dieser Pfeiler wegbricht, oft von einem Tag auf den anderen. So haben Studien ergeben, dass Arbeitslose häufiger von psychischen Krankheiten wie einer Depression betroffen sind als Erwerbstätige. Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere den ersten depressiven Episoden eine psychosoziale Belastungssituation vorausgeht.
Laut der Psychologin Gisela Mohr von der Universität Leipzig belastet viele Arbeitslose der Zwang, möglichst schnell wieder eine Arbeit und zurück zur oben erwähnten protestantischen Arbeitsethik zu finden. „Je höher die Arbeitsorientierung bei einem Menschen ist, umso stärker sind die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit in der Situation der aussichtslosen Arbeitslosigkeit.“
Arbeitslosigkeit bedeutet auch, nicht mehr dazuzugehören. Betroffene fühlen sich alleine .
Wenn das soziale Umfeld wegbricht
Auch die Anforderung, dass Betroffene für eine neue Stelle bereit sein sollten, ihren Wohnort zu wechseln, wirkt sich nach Mohrs Einschätzung negativ auf die psychische Gesundheit aus. „Vor allem, wenn man eine Familie hat, ist das ein grosses Problem“, schätzt Mohr. „Bei jedem Umzug verliert man sein soziales Umfeld und muss sich ein neues aufbauen“, warnt sie. Dabei sei ein gutes soziales Netz wichtig für Arbeitslose. Es könne ihnen helfen, eine neue Arbeit zu finden.
Ablehnung schwächt das Selbstwertgefühl
Der psychischen Gesundheit ebenfalls nicht förderlich ist nach Ansicht Mohrs die Anforderung, möglichst viele Bewerbungen in einem definierten Zeitraum zu verschicken. Werden die Vorgaben nicht eingehalten, droht eine Leistungskürzung. Dabei ist gemäss der Psychologin kein Zusammenhang feststellbar, dass viele Bewerbungen die Erfolgsaussichten verbessern würden. Hingegen würden viele erfolglose Bewerbungen die psychische Gesundheit gefährden. Jede Ablehnung oder Absage gelte als Misserfolg und schwäche das Selbstwertgefühl.
Psychische Erkrankungen bei Arbeitslosigkeit oft nicht erkannt
Es gibt also zahlreiche Ursachen, die bei Arbeitslosen zum Beispiel zu einer Depression führen können. Erkannt werden die Erkrankungen aber in vielen Fällen nicht. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass nur die Hälfte der Frauen und von den Männern gar keiner in Behandlung war, die Symptome einer Depression aufgewiesen hatten. Laut Gisela Mohr hat das mit dem Menschenbild zu tun: „Wenn man denkt, Arbeitslose seien faul, interpretiert man die Antriebslosigkeit, die bei Depressiven vorkommt, in diesem Sinne und erkennt die Krankheit nicht.