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Der Angriff der ÖVP-FPÖ Regierung auf den Sozialstaat

Österreich – Die Reform der Arbeitslosenbezüge, die Abschaffung des sog. Notstands und eine bundeseinheitliche Neuregelung der Mindestsicherung kündigte die ÖVP-FPÖ Regierung knapp zweieinhalb Wochen nach ihrer Angelobung am 18.12.2017 am Ende der ersten Regierungsklausur an. (Die ÖVP scheint Speed kills aus Zeiten der ersten ÖVP-FPÖ Regierung unter Wolfgang Schüssel wiederzubeleben)

Faktisch, auch wenn das offiziell (noch) dementiert wird, zielt diese Reform auf die Einführung eines Modells, das sich an das deutsche Arbeitslosengeld II (2005), vulgo Hartz IV, anlehnt. Entsprechend hat sich dafür schnell die Bezeichnung Kurz IV verbreitet. Es sieht vor, dass der unbefristete Notstand abgeschafft wird und nach Ende der Bezugsfrist für Arbeitslosengeld Betroffene sofort in die sogenannte Mindestsicherung fallen. Rhetorisch wird argumentiert, dass die dadurch verursachten Nachteile durch eine Verlängerung der maximalen Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes und der anfangs höheren Bezüge aufgewogen werden würden. Rhetorisch deshalb, weil es dazu noch keine detaillierten Informationen gibt. Fest steht nach Bundeskanzler Sebastian Kurz jedoch schon jetzt, dass die Notstandsbezüge gemäß Koalitionsvertrag abgeschafft werden. Im Neusprech des ÖVP-FPÖ Koalitionsvertrags heißt das:

Arbeitslosengeld NEU: Degressive Gestaltung der Leistungshöhe mit klarem zeitlichen Verlauf und Integration der Notstandshilfe

ÖVP-FPÖ Regierung zwingt Notstandsbezieher, ihre Altersvorsorge aufzulösen

Wer sich einen Anspruch auf Arbeitslosenbezüge (Versicherungsleistung) erarbeitet hat und bis zum Ablauf der Bezügefrist noch keine zumutbare Arbeit gefunden hat, erhielt bislang unbefristet Notstandsbezüge. Als Notstandsbezieher musste niemand sein Vermögen antasten, konnte sogar geringfügig dazu verdienen. Mit der Abschaffung des Notstands fallen Arbeitslose nach der Bezügefrist für Arbeitslosengeld in die Mindestsicherung (Sozialleistung), in welcher keine Möglichkeit mehr zu einem geringfügigen Nebeneinkommen gegeben ist. Um die Mindestsicherung überhaupt beziehen zu können, müssen Betroffene zuvor sämtliche Rücklagen bis auf einen geringen Betrag aufgebraucht haben, d.h. Lebensversicherungen gekündigt, Auto verkauft, Sparbücher und andere Anlagen liquidiert und aufgebraucht haben.

Das allein ist insbesondere für Langzeitarbeitslose schon eine massive Schlechterstellung. Diese Menschen geraten darüber hinaus mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Altersarmut, obwohl sie vielfach mehrere Jahrzehnte gearbeitet, Sozialversicherungsbeiträge bezahlt und sich auf den Sozialstaat verlassen haben.

Beispiel: Arbeitslose im Alter von 50+

Wer im Alter von 50+ arbeitslos wird, hat nur geringe Aussicht, im primären Arbeitsmarkt wieder eine Anstellung zu finden. Menschen Ende der 50er haben so gut wie keine reelle Chance mehr – ob Ungelernte oder Akademiker. Können diese die erforderlichen Beitragsjahre nicht vorweisen, was bei Akademikern eher selten der Fall ist, dann können sie vor 65 nicht in Pension gehen. In diesen Fällen geht es nicht um die Frage, ob die Betreffenden arbeitswillig sind oder nicht, es gibt keine Arbeitsplätze für sie. Das belegt die Statistik.

Nun müsste nach der geplanten Reform ein betroffener Erwerbsloser zunächst sein gesamtes Vermögen bis auf einen geringfügigen Betrag von rund 4.000 EUR liquidieren und aufzehren, um Mindestsicherung zuerkannt zu bekommen, wobei er zudem in Kauf nehmen muss, dass der Staat in Höhe der geleisteten Mindestsicherung bei Eigentumswohnungen oder Eigenheimen eine Grundschuld eintragen lässt.  Er muss sich gefallen lassen, dass die Behörde Einsicht in Kontoauszüge der letzten drei bis sechs Monate nimmt, Nebeneinkommen prüft, Einsicht in Mietverträge und ins Grundbuch verlangt, etwaige Versicherungen, Kfz-Besitz überprüft und das Recht hat, sich in der Wohnung, bzw. im Haus selbst umzusehen. Was als Vorbeugung und Kontrolle gegen Sozialbetrug begründet wird. ist letztlich nichts anderes als eine Demütigung mündiger Bürger. Und dies für einen durchschnittlich geringfügigen Betrag.

Wer keine zumutbare Arbeit mehr findet, für den ist Notstand gewissermaßen ein minimales ‚Grundein­­­kommen’, nicht selten mit geringeren Bezügen als derzeit bei Mindestsicherung. Auch für alle jene, die keinen Anspruch auf Arbeitslosenbezüge erworben haben, keine zumutbare Arbeit finden und daher Mindestsicherung beziehen, ist die Mindestsicherung derzeit eine Art minimales ‚Grundeinkommen’. Das will die ÖVP-FPÖ Regierung abschaffen:

Die Sozialhilfe (Mindestsicherung) ist eines der wichtigsten staatlichen Mittel, um Armutsgefährdung zu bekämpfen. Sie ist gedacht als eine Überbrückung für Personen in schwierigen Situationen, nicht aber als ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Was aber, wenn jemand keine zumutbare Arbeit mehr findet? Die ÖVP-FPÖ Regierung erweckt ganz den Eindruck, als wäre das nicht ihr Problem. Es ist jedoch deren Herausforderung, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit entsprechende Arbeitsplätze am Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Gelingt das nicht, dann steht der Sozialstaat in der Pflicht, aus der sich weder ÖVP noch FPÖ herausnehmen können.

ÖVP-FPÖ Regierung beschädigt die Mittelschicht

Die Regierung tut so, als stammten Langzeitarbeitslose, also Notstands- und Mindestsicherungsempfänger zwangsläufig aus unteren sozialen Schichten mit unzureichender Bildung und mit geringer Bereitschaft zur Erwerbsarbeit. Diese Gruppe wird als ‚Sozialschmarotzer’ diffamiert, auch wenn es nicht so deutlich ausgesprochen wird, jeden falls als ‚Leistungsverweigerer’. Dann wird die Karte Sozialneid gespielt und Beifall heischend geurteilt, dass man diese Leistungsverweigerer nicht auch noch mit Sozialleistungen belohnen dürfe. Nur Leistung sei zu belohnen und nur das soll sich lohnen. In der Pragmatik der ÖVP-FPÖ Regierung bedeutet das jedoch nicht, dass Arbeitsleistung besser, d.h. angemessener belohnt wird, damit sich Erwerbseinkommen deutlich von Sozialleistungen abhebt. Vielmehr drücken sie die Sozialleistungen bis an/unter das Existenzminimum. Dieses Kalkül ist perfide.

Die Mittelschicht glaubt sich davon nicht betroffen. Allerdings gibt es mittlerweile gar nicht so wenige Haushalte der Mittelschicht, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Auch stimmt die Mär nicht, dass Akademiker nicht oder so gut wie nicht von Arbeitslosigkeit bedroht wären. Im Juni 2016 waren 22.117 Akademiker*innen arbeitslos, 7 Prozent der Arbeitslosen. Studienabgänger, die keinen Arbeitsplatz finden und damit nach abgeschlossenem Studium den Berufseinstieg nicht schaffen, scheinen erst gar nicht in der Statistik auf, obwohl das immer häufiger der Fall ist. Viele werden in die Selbständigkeit gedrängt und leben häufig in prekären Verhältnissen. Die verhältnismäßig große Zahl derer, die dabei scheitern, scheint ebenfalls in keiner Arbeitslosenstatistik auf, denn sie haben keinen Anspruch auf Arbeitslosenbezüge, sie fallen sofort in die Mindestsicherung.

Die Digitalisierung wird nicht nur ungelernte Arbeitskräfte treffen, sondern alle, bis hin zu Akademikern. Es werden daher immer öfter auch Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sein, die bislang ein erfolgreiches Berufsleben mit gutem Einkommen führten. Und auch in diesem Segment werden es 50+ schwer haben erneut eine vergleichbare Arbeit zu finden. Egal wie lange und wie viel sie eingezahlt haben, sie werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Arbeit mehr finden und damit nach dem Willen der ÖVP-FPÖ Regierung so lange aus dem Sozialstaat herausfallen, bis sie von der Hand in den Mund leben müssen.

ÖVP-FPÖ Regierung betreibt das Geschäft der Umverteilung nach Matthäus

Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.

Diese Umverteilung in Verbindung mit einem Prinzip, das im Zusammenhang mit Digitalisierung immer häufiger genannt wird,

scheint den Kern der Kurz/Strache ÖVP-FPÖ Regierung zu bilden. Und was noch tragischer ist, es gibt ausgemachte Verlierer, welchen die Teilhabe von vornherein verwehrt wird.

Wie immer man das dreht und wendet, das Arbeitslosengeld Neu ist eine Demontage des Sozialstaats und des Prinzips der Solidarität.

Quelle  https://www.npo-consulting.net/blogs/pad.php/oesterreichische-oevp-foe-regierung

 

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