November 2019,
E-Autowracks: Brandgefährlicher Sondermüll
Seit fünf Wochen steht in Walchsee das ausgebrannte Wrack eines Tesla. Niemand will sich die Finger daran verbrennen, den Wagen mit seiner unberechenbaren, 600 kg schweren Lithium-Ionen-Batterie zu entsorgen.
Geschmolzenes Blech, verschmorte Kabel, das schwarze Skelett des Fahrersitzes, alles zusammengeknittert auf der Bodenplatte, in der die Riesenbatterie ruht, von der niemand genau weiß, welche giftigen Bestandteile sie enthält: Das ist alles, was von der einstigen Luxuslimousine übrig geblieben ist. Ein Anblick, der ihrem Besitzer, Dominik Freymuth aus Walchsee, den Schweiß auf die Stirn treibt. Er fühlt sich vom Hersteller und dessen angeblichem Entsorgungspartner „im Stich gelassen, an der Nase herumgeführt, verarscht“.
4. Oktober 2019: Freymuths Tesla in Flammen
Jeden Morgen, den er daran vorbeigeht, erinnert ihn das Wrack an den Unfall am 4. Oktober, als er – aus Unachtsamkeit, wie er zugibt – von der Straße zwischen Kössen und Walchsee abgekommen und gegen einen Baum geprallt ist. Wie in Sekundenschnelle alles lichterloh brannte, wie ihn nachfolgende Autolenker aus den Flammen zerrten. Zwei Wochen ist Freymuth danach im Krankenhaus gelegen.
„Eine fünfwöchige Odyssee“
Währenddessen hat die Feuerwehr das Wrack in einem Spezialcontainer unter Wasser gesetzt und drei Tage lang gekühlt, um zu verhindern, dass die Batterie wieder Feuer fängt. Der Abschleppunternehmer Georg Greiderer hat die „automobile Wasserleiche“ dann zu einem Parkplatz am äußersten Rand seines Firmengeländes gebracht, weil man ja nie wisse, ob das Ding nicht doch wieder in Flammen aufginge, sagt er. Seither versucht Greiderer, jemanden zu finden, der das Wrack fachgerecht entsorgt. „Eine fünfwöchige Odyssee“, sagt er mit einem resignierten Grinsen.
Verkohlte Erinnerung, fünf Wochen nach dem Unfall
Der Hersteller Tesla habe beim Erstkontakt eine problemlose Entsorgung zugesichert und sich dann nicht mehr gemeldet. Auf Rückfrage ist Greiderer an Teslas österreichischen Entsorgungspartner ÖCAR Autoverwertungs GmbH verwiesen worden. Auf der Tesla-Homepage liest sich das so: „ÖCAR Automobilrecycling verfügt über ein großes Netzwerk von autorisierten Recycling- und Entsorgungspartnern, welche vom Umweltministerium vollständig lizenziert sind.“
Ein Entsorgungspartner ohne Lizenz
Ganz so vollständig offenbar doch nicht, denn ÖCAR hat gar keine Genehmigung, Tesla-Modelle zu übernehmen. Auf die Frage, wie sie sich denn die Entsorgung eines Elektroautos vorstelle, antwortet ÖCAR-Sprecherin Pia Kleihs: „Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft erteilen, da wir für Tesla keine Berechtigung haben.“ Tesla verweist also auf seiner Homepage, pikanterweise im Kapitel „Nachhaltigkeit“, auf einen Entsorgungspartner, der gar nicht befugt ist, einen Tesla zu recyceln.
Geheimnisvolle Zusammensetzung
Die Tiroler Entsorger lehnen die Verwertung eines havarierten Tesla rundheraus ab. Da wisse man einfach nicht mehr, wo die Batterie anfinge und wo sie aufhöre, sagt Recyclingunternehmerin Ingeborg Freudenthaler aus Inzing, und das sei brandgefährlich.
Das Löschwasser, in dem der Tesla gekühlt wurde, ist heute ein begehrtes Souvenir für Wissenschafter
Martin Klingler, Entsorgungsfachmann beim Schwazer Umweltunternehmen DAKA, sagt, eine so große Lithiumbatterie könne seine Firma nicht übernehmen, da man den Mix aus gefährlichen Stoffen in ihrem Inneren gar nicht kenne. Die Elektromobilhersteller hielten die Zusammensetzung ihrer Elixiere streng geheim, um ihren Wettbewerbsvorteil nicht zu verlieren. Die Flüssigkeit, in der das Unfallauto vom Walchsee gekühlt wurde, ist ein gefährlich giftiges Gebräu, aber mittlerweile ein begehrter Tropfen. Die Montanuniversität Leoben habe sich bereits Proben davon gesichert, um dem Geheimnis ihres Inhalts auf die Spur zu kommen, sagt Klingler.
Der Recyclingpapst ist ratlos
Den Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik in Leoben hat Roland Pomberger inne. Mit seiner jahrelangen Erfahrung beim steirischen Entsorgungskonzern „Saubermacher“ gilt er als Recyclingpapst Österreichs.
Auf die Frage, wie man denn mit der verformten und möglicherweise beschädigten 600 kg-Batterie eines Tesla zu verfahren habe, antwortet er mit einem entwaffnenden: „Ich weiß es nicht.“ Das falle in die Produzentenverantwortung, und der Walchsee-Tesla zeige, dass sich der Hersteller darüber bisher wohl zu wenig Gedanken gemacht habe. Man habe hier versäumt, von der Wiege bis zu Bahre zu denken, sagt auch Freudenthaler. Der Produzent habe etwas hergestellt, ohne darüber nachzudenken, wie diese Dinge entsorgt werden sollen.
Haben genug von Elektroautos: Freymuth (links) und Greiderer (rechts)
Derzeit gibt es im Mitteleuropa zwei Unternehmen, die in großem Stil unbeschädigte Batterien für Elektroautos recyceln: den belgischen Wiederverwerter Umicore und die deutsche Firma Redux, Tochtergesellschaft des steirischen Konzerns Saubermacher. Beide versuchen, in unterschiedlichen Verfahren, vor allem die Rohstoffe Kobalt, Nickel und Kupfer rückzugewinnen. Die Recyclingquote bei Redux liegt nach eigenen Angaben bei etwa 70 Prozent. Reines Lithium abzuscheiden, ist zwar theoretisch möglich, aber so aufwendig, dass es sich nicht rentiert.
„Zeitbombe“
Beide Entsorger liegen
jedoch außerhalb der Reichweite des demolierten Walchsee-Tesla. Der
Transport der unberechenbaren Batterie würde nämlich eine
EU-Gefahrengut-Genehmigung erfordern, die es in Österreich noch gar
nicht gebe, sagt
Klingler von der Firma DAKA.
Abschleppunternehmer Greiderer, auf dessen Grund das Wrack gestrandet ist, gibt die Hoffnung dennoch nicht auf. Vor einer Woche habe ihm Tesla zugesichert, dass ein Experte aus Holland kommen würde, um die Batterie zu entladen. Seither hat er jedoch nichts mehr vom Entlademeister gehört. Für Freymuth, den ehemals stolzen Tesla-Besitzer, ist jedenfalls klar: „Ich kaufe mir sicher keinen mehr, jetzt, wo ich weiß, auf welcher Zeitbombe ich sitze.“