Diese Woche im Parlament
Sozialhilfe statt Mindestsicherung: Kürzungen bei Kindern, Lernschwachen und pflegenden Eltern
Am Donnerstag, den 25. April, beschließt die Regierung die Kürzung der Mindestsicherung im Parlament. Kein Land, keine Gemeinde und keine Hilfsorganisation – niemand kann dann armen Menschen helfen, ohne die Mindestsicherung zu reduzieren. Denn Mindestsicherungsbezieher dürfen künftig nicht mehr als 885,47 Euro erhalten – egal, woher das Geld kommt. Am härtesten treffen die „Sozialhilfe Neu“ Kinder, Lernschwache und Familien mit behinderten Kindern – die bekommen noch weniger.
Die Regierung zeigt erneut Härte gegenüber den Schwächsten in der Gesellschaft. Sie übt immer mehr Druck arme Menschen aus, jede noch so schlechte Art von Beschäftigung zu akzeptieren. Ums Geld geht es dabei nicht: Die Ausgaben für die Mindestsicherung machen weniger als 1 Prozent des Budgets aus – hier einzusparen bringt dem Staatshaushalt wenig.
Sozialhilfe Neu macht aus Mindestmaß Höchstgrenze
Eigentlich war die Mindestischerung als Schutz vor Armut gedacht – niemand in Österreich sollte weniger als 885 Euro im Monat zum Leben haben. So sollten auch Obdachlosigkeit, Verwahrlosung und Kriminalität verhindert werden.
Dieses Prinzip kehrt die ÖVP-FPÖ-Regierung jetzt um: Niemand darf in der Mindestsicherung mehr als 885 Euro zur Verfügung haben.
Aus einem Mindeststandard wird eine Höchstgrenze, die nicht überschritten werden darf. Das heißt: Weniger ist erlaubt, mehr nicht.
885 Euro und nicht mehr
Den Bundesländern wird untersagt, den Betroffenen zusätzliche Leistungen zu gewähren. Das neue Gesetz ist auch ein faktisches Verbot, Menschen in der Sozialhilfe mehr Geld zukommen zu lassen. Zuschüsse wie die Wohnbeihilfe, werden von der Mindestsicherung abgezogen – die Betroffenen verlieren dadurch rund 200 bis 400 Euro im Monat.
Jede dieser Unterstützungen müssen die Betroffenen melden und die Länder müssen „wirksame und abschreckende Sanktionen“ vorsehen, wenn Meldungen nicht oder nicht richtig erfolgen – so schreibt es das Gesetz vor. Nach heftigem Protest hat die Regierung die Abzüge leicht entschärft: Immerhin müssen Heizkostenzuschüsse oder karitative Spenden nun doch nicht von der Mindestsicherung abgezogen werden.
Kürzungen bei über 54.400 Mehr-Kind-Familien
Mehr als die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher lebt in Familien mit Kindern – und die sind besonders von den Kürzungen betroffen: Die Regierung erhöht zwar den Mindestsicherungs-Betrag für das 1. Kind auf 216 Euro (statt bisher mind. 155 Euro). Wenn aber zwei Personen in einem Haushalt Mindestsicherung beziehen, verlieren sie 88,55 Euro pro Monat. Denn bisher konnten sie jeweils 75% des Richtsatzes erhalten – das wird auf höchstens 70% gekürzt.
Und ab dem 2. Kind gibt es deutlich weniger: Das zweite Kind bekommt nur mehr 129 und jedes weitere nur noch 43 Euro monatlich – das sind 1,50 Euro am Tag.
Über 54.400 Familien mit drei oder mehr Kindern sind von diesen Kürzungen betroffen.
300 Euro weniger für Lernschwache
Wer arbeitsfähig ist, aber schlecht Deutsch spricht, muss künftig überhaupt von nur mehr 575 Euro leben. Ebenso lernschwache Menschen: Denn auch sie können keinen Pflichtschulabschluss in Deutsch vorweisen. Und auch ihnen wird die Mindestsicherung um über 300 Euro gekürzt. Auf ein Niveau, auf dem niemand in Österreich leben kann.
703,56 Euro geben die ärmsten Österreicher im Schnitt für Wohnen, Energie, Lebensmittel, Körperpflege und Kleidung im Monat aus, wie die Konsumerhebung errechnet hat. Das sind um mindestens 170 Euro mehr, als durch die gekürzte Sozialhilfe abgedeckt ist.
Behinderte: Kürzungen bei pflegenden Angehörigen
Eltern, die ihre behinderten Kinder pflegen, haben in Zukunft weniger.
Aber auch Menschen mit Behinderung bleiben von den Kürzungen nicht verschont. Zwar gibt es für sie grundsätzlich einen Bonus von 18 Prozent. Aber: Wenn erwachsene Menschen mit Behinderung bei ihren Eltern wohnen, weil diese sich um sie kümmern, wird das Einkommen der Eltern künftig von der Mindestsicherung abgezogen.
Mit diesen Bestimmungen wird nicht nur ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Beeinträchtigungen verhindert. Auch die psychisch und physisch belastende Arbeit von pflegenden Angehörigen wird entwertet. Sie zahlen für ihr Engagement auch noch drauf, weil die Leistung für die zu pflegende Person gekürzt wird“, warnt Christian Aigner vom Vertretungsnetz.
In Niederösterreich ist das heute schon der Fall: Dort wurde der Antrag einer Frau mit Behinderung auf bedarfsorientierte Mindestsicherung abgelehnt. Die Begründung: Das anrechenbare Einkommen ihrer Mutter von 966,27 Euro Pension sei zu hoch. Das wird jetzt in ganz Österreich Realität.
Quelle https://kontrast.at/sozialhilfe-neu-behinderung-kinder/