03.08.2021
Ohne Impfung keine Arbeit In unserem Land gibt es offiziell keine Impfpflicht gegen das Corona-Virus. Doch in einigen Berufen ist die Ausübung der Tätigkeit ohne Impfung nicht mehr möglich. Derzeit trifft es neue Mitarbeiter im Spital, bald sollen auch Lehrer und soziale Berufe folgen. Der Bundeskanzler wird aber nicht müde zu betonen, dass es bei uns keine Impfpflicht geben wird.
Wer keine Impfung gegen das Corona-Virus vorweisen kann, erhält keine Arbeitsstelle. Das trifft auf Mitarbeiter zu, die im Gesundheitswesen neu zu arbeiten beginnen. Im Wiener Gesundheitsverbund wurde diese Impfpflicht bereits umgesetzt.
Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) kündigte auch eine Impfpflicht für Sozialeinrichtungen an. Sie kommt auf jene Menschen zu, die mit Jugendlichen oder Obdachlosen arbeiten.
In der Steiermark sollen ebenfalls nur noch geimpfte Mitarbeiter im Spital arbeiten. Niederösterreich folgt diesem Beispiel mit Anfang September und liebäugelt auch mit einer Impfpflicht für Junglehrer. Bildungsminister Heinz Faßmann möchte auch Kinder, die jünger als zwölf Jahre sind, impfen lassen. „Geimpfte Schüler sind von der Testpflicht befreit. Sie ersparen sich damit drei Covid-19-Tests pro Woche. Denkbar sei außerdem eine Befreiung von der Maskenpflicht“, sagt Faßmann.
Die Burgenländische Krankenanstalt hat eine Covid-Impfung bereits als Voraussetzung für eine Neuanstellung eingeführt. Das gilt für alle neuen Mitarbeiter und Praktikanten mit direktem Patientenkontakt.
Dabei ist in unserem Land die Impfung freiwillig. „Es wird keine Impfpflicht in Österreich geben“, versprach der türkise Bundeskanzler Sebastian Kurz kürzlich beim Sommerministerrat in Reichenau an der Rax (NÖ). „In gewissen Bereichen, wie der Gesundheitsbranche, gibt es aber schon teilweise Verpflichtungen. Das wird auf Ebene der Bundesländer entschieden“, fügte der Kanzler hinzu.
Die Impfplicht durch die Hintertür trifft derzeit neue Mitarbeiter im Gesundheitsbereich. Alle, die bereits bestehende Verträge haben, haben noch keinen Grund zur Sorge. „Nach der aktuellen Rechtslage können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht dazu verpflichten, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen“, sagt die Rechtsexpertin Mag. Brigitte Ohr von der Arbeiterkammer.
In einzelnen Bereichen, wie in der Pflege, regelt das Epidemiegesetz aber jetzt schon die Möglichkeit, generell Schutzimpfungen anzuordnen. „Für die Gesundheitsberufe spricht die Bioethikkommission von einer dringenden Impfempfehlung, um gewisse Tätigkeiten verrichten zu können. Damit kommt die Impfung einer Art ‚Berufsausübungserfordernis‘ gleich“, erklärt Ohr.
Geht es nach Christiane Druml, der Vorsitzenden der Bioethikkommission, soll die Impfpflicht weiter ausgedehnt werden. Neben Menschen, die in der Pflege und in Spitälern arbeiten, sollen auch alle im Bildungswesen sowie körpernahe Berufe den „rettenden“ Stich erhalten.
Lehrer, Apotheker, Friseure, Kosmetiker, Hebammen und Masseure sind ein paar jener Berufe, in denen geimpft werden sollte. „Die Freiwilligkeit hat ihre Grenzen, wenn es um eine Erkrankung geht, die unser Wirtschafts- und Sozialsystem in einen Krisenmodus gebracht hat“, argumentiert Druml ihre Impf-Freudigkeit.
Klage einreichen gegen Impfpflicht
Wem das nicht gefällt, dem bleibt wohl nur, sich um eine andere Arbeit umzusehen. Oder er klagt, was aber nicht einfach wird. „Das ist zur Zeit gesetzlich alles nicht geregelt. Jeder einzelne Fall muss individuell beurteilt werden“, sagt Rechtsanwalt Günter Novak-Kaiser.
Ob der Arbeitgeber eine Corona-Impfung verlangen kann, ist laut dem Anwalt eine Grauzone. „Er kann nicht einfach sagen, ,Bei uns muss sich jeder sicherheitshalber gegen Covid-19 impfen lassen.‘ Der Arbeitgeber muss diese Entscheidung sachlich begründen. Im Gesundheitswesen wäre die Argumentation, dass in Spitälern Menschen mit einem schwachen Immunsystem sind und deshalb die Impfung für das medizinische Personal notwendig ist. Neue Mitarbeiter müssen sich bereits impfen lassen. Einige werden sich aber fragen, warum diese Impfpflicht für langjährige Mitarbeiter nicht gilt“, sagt der Anwalt.
Das liegt daran, dass bestehende Verträge im Moment nicht geändert werden können. In unserem Nachbarland Italien ziehen bereits 300 Gesundheitsmitarbeiter, darunter mehrere Ärzte, vor Gericht. Sie forden die Aufhebung der in Italien eingeführten Impfpflicht für das Gesundheitspersonal. Falls die italienischen Gerichte dem Antrag nicht zustimmen, bleibt als letzte Möglichkeit der Weg zum Europäischen Gerichtshof.
Doch was dieser von einer Impfpflicht hält, hat er im April dieses Jahres klargemacht. Mehrere Familien aus Tschechien klagten gegen die dort bestehende Impfpflicht für Kinder. Kindergartenkinder müssen gegen neun Krankheiten, darunter Hepatitis B, geimpft werden. Es ist das erste Urteil zu einer Impfpflicht für Kinder.
Die Klage der Tschechen wurde abgelehnt. „Die Gesundheitspolitik ist im besten Interesse der Kinder. Eine Impfpflicht kann in Demokratien als notwendig angesehen werden“, erklärte der Gerichtshof. Dieses Urteil könnte auch in der Corona-Pandemie eine Rolle spielen.
Anders sieht das der Europarat, dem 47 Staaten angehören. Er setzt auf Freiwilligkeit bei der Impfung. „Die Mitgliedsstaaten sollen sicherstellen, dass die Impfung nicht verpflichtend ist und niemand politisch, sozial oder auf andere Weise unter Druck gesetzt wird, sich impfen zu lassen“, heißt es in dem Beschluss. Diese Entscheidung ist aber rechtlich nicht bindend, es ist eine Empfehlung.
Ganz andere Wege geht die Schweiz. Dort ist eine Impfpflicht noch kein Thema. Zu groß ist die Angst davor, dass ein Beruf im Gesundheitswesen an Attraktivität verliert. Dafür fordern Schweizer Politiker die Kennzeichnung von Ungeimpften.
„Geimpfte sollen von der Maskenpflicht befreit werden, Ungeimpfte sollten weiter Masken tragen müssen. So ist ersichtlich, wer nicht geimpft ist“, sagt Ruth Humbel, Präsidentin der Gesundheitskommission. Der Grünliberale Jürg Grossen schlägt zudem vor, dass geimpfte Pfleger einen Aufkleber an der Kleidung tragen sollen.
Andreas Brenner, Ethiker und Professor für Philosophie an der Schweizer Universität Basel
„Bald werden wir über einen Impfzwang für alle diskutieren“Herr Brenner, was halten Sie von einer Impfpflicht?Wir sollten hier nicht von einer Impfpflicht sprechen, sondern von einem Impfzwang. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Der Begriff Zwang ist abschreckender, weshalb ihn die Politik vermeiden will. Pflicht und Zwang sind zwei verschiedene Dinge. Eine Pflicht ist eine persönliche Entscheidung. Bei einem Zwang wird die Person aus der Verantwortung genommen.Im Moment reden wir über den Impfzwang gegenüber bestimmten Personengruppen. Glauben Sie, dass es bald alle betreffen wird?Es liegt in der Logik dieser Politik, dass bald über einen Zwang für alle diskutiert werden wird. Hier wird der Nutzen der Impfung als gegeben vorausgesetzt und die zu erwartenden Schäden werden kleingeredet.Die Impfung ist laut Politik das wirksamste Mittel, um das Virus einzudämmen. Gibt es eine moralische Impfpflicht des Einzelnen?In diesem Zusammenhang ist bereits jetzt der Vorwurf des Egoismus zu hören. Wer sagt, mein Körper gehört mir, gilt als egoistisch. Eine solche moralische Aufladung der Gesellschaft ist hochgefährlich. Das ist eine Politik, die uns auf Dauer nicht gut bekommt. Die Stärke unseres Gemeinwesens können wir nur bewahren, wenn wir unsere individuellen Werte erhalten. Jeder sollte weiterhin Selbstverantwortung übernehmen.Wie hat sich die Gesellschaft während der Pandemie verändert?Während der Pandemie war bezüglich Privatheit und Öffentlichkeit ein merkwürdiger Prozess zu beobachten.
Das Private wurde zum Gegenstand öffentlichen Interesses und damit zum Politischen erklärt. So war es nicht länger Privatsache, sich draußen aufzuhalten. Nach der Aufhebung des „Lockdowns“ müssen wir nun bei einem Restaurant-Besuch unseren Namen und die Telefonnummer hinterlegen. Den Bürgern wird beigebracht, auf Versammlungen und Reisen zu verzichten, auch wenn sie derzeit nicht verboten sind. Die Politik hat dazu den Begriff „Neue Normalität“ erfunden.Die Entscheidung der Politiker beruhte auf Experten …Hochkomplexe Gesellschaften sind auf Experten angewiesen. In dieser Funktion sind die Virologen in der Corona-Pandemie aufgetreten. Nicht wünschenswert ist aber, wenn die Gesellschaft unter den alles entscheidenden Einfluss einer einzigen Wissenschaft gerät. Dieses Bild vermittelte die Situation ab dem Frühjahr 2020.Was genau bemängeln Sie?Jedes Land hatte meistens einen, höchstens zwei Virologen, die unhinterfragt Maßnahmen vorschlugen, die von der Politik umgesetzt wurden. Das Schicksal ganzer Bevölkerungen lag in der Hand von kleinen Wissenschaftlerzirkeln. Durch die Fokussierung auf eine Einzelwissenschaft geriet die Welt in einen Tunnelblick. Wenn diese Maßnahmen ethisch geboten sind, dürfen wir uns fragen, weshalb der Staat nicht auch bei anderen Übeln entsprechend eingreift, zum Beispiel beim Klimawandel oder beim Welthunger.Ist es vertretbar, Menschen, die sich nicht impfen lassen, anders zu behandeln?Wer dies befürwortet, riskiert extreme Schäden. Wenn solche Stigmatisierungen einmal im öffentlichen Leben etabliert sind, werden weitere folgen.
Quelle https://www.ganzewoche.at/inhalte/artikel/?idartikel=12914/Ohne-Impfung-keine-Arbeit