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Razzien, geheime Festplatten und Postenschacherei

14. August 2019

Razzien, geheime Festplatten und Postenschacherei

Ibiza, Schreddern, Casino-Deal: Die Polit-Praktiken von ÖVP und FPÖ

Die einen lassen heimlich Festplatten schreddern, die anderen verstecken sie im Safe im Alpenhaus. Die einen schreiben 12-Stunden-Tage für ihre Großspender ins Gesetz, die anderen sollen Glücksspiel-Lizenzen versprochen haben. ÖVP und FPÖ verbindet viel: Sie stehen für „gekaufte Politik“. Im Austausch für Posten und Großspenden gibt es Geschenke – in Form von Gesetzen, über die sich Konzerne freuen. Wir stellen die Praktiken der Parteien von Kurz und Hofer gegenüber.

Ibiza-Video (Screenshot)

Sebastian Kurz will „wegen Ibiza nicht alles schlechtreden“ und offenkundig auch nach der Wahl am 29. September mit der FPÖ in der Regierung sitzen. Ob 12-Stunden-Tag, gekürzte Mindestsicherung bei Familien, rechtsextreme Einzelfälle und Millionen-Ausgaben für PR: für Kurz war die Koalition mit der FPÖ ein voller Erfolg. Deshalb will er auch eine Neuauflage jener Regierung, die im Mai 2019 implodiert ist.

ÖVP und FPÖ wollen nur miteinander regieren – auch nach Ibiza

Auch die FPÖ will am liebsten wieder mit der ÖVP regieren: „Wir sind bereit, den erfolgreichen Weg für Österreich fortzusetzen“, hat FPÖ-Chef und Spitzenkandidat Norbert Hofer angekündigt. Auch Herbert Kickl betont, die Hand der FPÖ sei in Richtung Kurz „ausgestreckt“. Und dass der Bruch zwischen Kurz und der FPÖ vor allem eine Inszenierung war, berichtet ein Ex-FPÖ-Minister gegenüber dem „Kurier“, wenn auch anonymisiert:

Vor der Öffentlichkeit sagt Kurz, dass die FPÖ nicht regieren kann. Am Tag nach dem Bruch ruft Kurz dann alle FPÖ-Minister an, um sich für die gute Zusammenarbeit zu bedanken, und stellt sogar eine Zusammenarbeit nach der Wahl in Aussicht.“ (Ex-FPÖ Minister gegenüber dem Kurier zu Plänen der Neuauflage einer schwarzblauen Regierung)

Die wechselseitigen Sympathien verwundern nicht. Immerhin haben ÖVP und FPÖ viel gemein – auch was ihre politischen Praktiken angeht. Was viele am Ibiza-Video schockiert hat, wurde unter der Kurz-Regierung Realität: 12-Stunden-Tag, Pläne zur Senkung der Gewinnsteuer für Konzerne, Einschüchtern von Journalistinnen und Journalisten.

Auch wenn es um Deals mit Spendern bzw. Unternehmen oder den Umgang mit Daten auf Festplatten geht, harmonieren ÖVP und FPÖ mehr miteinander als sie nach außen zugeben würden.

ÖVP: Großspenden für Kurz – 12-Stunden Tag und Steuerzuckerl für Konzerne

„Die Spender, die wir haben, sind in der Regel Idealisten. Die wollen Steuersenkungen…“ (Heinz-Christian Strache im „Ibiza-Video“)

Solche „Idealisten“ dürften auch die Spender von Sebastian Kurz gewesen sein.

KTM-Chef Stefan Pierer wünschte sich von der Politik einen 12-Stunden-Tag. Sein Wunsch wurde Kanzler Kurz erfüllt. Pierer zuvor hatte Pierer der ÖVP über 430.000 Euro gespendet. Eine für Pierer ertragreiche Investition.

Auch Klaus Ortner zählt zu den Profiteuren der Kurz-Strache-Regierung: Der PORR-Aktionär hat rund 1 Million Euro für Sebastian Kurz gespendet, wie der „Kurier“ berichtet hat – gestückelt und aufgeteilt auf die Jahre 2017, 2018 und 2019. Ortner ist Mitglied der Tiroler Adlerrunde. Das ist eine Gruppe von Tiroler Unternehmen, die für Sebastian Kurz auftrat und den 12-Stunden-Tag gefordert hat.

Als Unternehmer habe er in den vergangenen Monaten den Eindruck gehabt, „die Anliegen der Wirtschaft finden wieder Gehör.“ (Klaus Ornter, PORR-Aktionär und Kurz-Großspender)

Ortner war zufrieden:

Und auch die Steuersenkungen waren unter Schwarz-Blau vorgesehen: Die Senkung der Gewinnsteuer (KöSt) war fix vorbereitet – und hätte die Steuerzahler 1,6 Milliarden Euro gekostet. 1,25 Milliarden davon wären an die größten 5% der Unternehmen in Österreich geflossen.

FPÖ: Casino-Deal für mehr Glücksspiel-Politik

Im Ibiza-Video prahlte Strache gegenüber der angeblichen Oligarchin mit großzügigen Wahlkampf-Spendern: “Es gibt ein paar sehr Vermögende, die zahlen zwischen 500.000 und eineinhalb bis zwei Millionen…“, sagt Strache stolz. Und ergänzte:

 „Novomatic zahlt alle.“ (Heinz-Christian Strache im „Ibiza-Video“)

Nun wird tatsächlich untersucht, welche Beziehung es zwischen der Novomatic und der FPÖ gab. Konkret sieht sich die Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft (WKStA) die Sache an. Nach anonymen Hinweisen führte die WAKSt Razzien bei Aushängeschildern der FPÖ durch: Bei Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus, Ex-Staatssekretär Hubert Fuchs und einem FPÖ-Bezirksrat wurden am 12. August Hausdurchsuchungen durchgeführt.

Der Verdacht: Postenschacherei im Casino und Deals um Glückspiel-Gesetze. Peter Sidlo, FPÖ-Bezirksrat, soll – so der Verdacht – seinen Vorstandsposten bei den Casinos Austria einem Deal zwischen der FPÖ und Novomatic verdanken.

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Roulette-Tisch in Casino (Foto: Unsplash: @kaysha)

Im Gegenzug soll die FPÖ dem Glückspielkonzern versprochen haben, sich für Online-Gaming-Lizenzen und Casino-Lizenzen sowie die Wiedereinführung des „Kleinen Glückspiels“ in Wien einzusetzen – berichtet der „Kurier“.

Die Novomatic bestreitet alle Vorwürfe rund um Posten- und Gesetzes-Deals und bezeichnet sie als „völlig haltlos“.

Unbequeme Daten auf Festplatten: Die einen schreddern, die anderen verstecken im Alpen-Tresor

Nicht nur bei Strache und Co. gab es Razzien. Auch im Haus „Enzian“ in den Osttiroler Alpen wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Dort machten die Ermittler einen interessanten Fund: In einem Panzerschrank lagerte die FPÖ mehrere Festplatten. Sie wurden beschlagnahmt. Der Verdacht: Die Festplatten könnten Daten über „Zahlungsflüsse aus der Glücksspiel-Branche“ enthalten.

Dubiose Festplatten hatten zuletzt die ÖVP in die Schlagzeilen gebracht. Der ehemalige Social Media-Chef von Sebastian Kurz im Bundeskanzleramt hat 5 Festplatten aus dem BKA geschmuggelt. Er ließ sie heimlich schreddern, unter falschem Namen und ohne die Rechnung zu bezahlen. Und all das wenige Tage nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos. Als man von der „Schredder-Affäre“ erfuhr, holten Polizisten den Mitarbeiter von seinem neuen Arbeitsplatz ab: der ÖVP-Zentrale in Wien. Welche Daten sich auf den Festplatten befunden haben, wissen wir bis heute nicht. Die „Sonderkommission Ibiza“ ermittelt – weil unklar ist, ob die Daten im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video stehen.

Im Parteien-Vergleich wird deutlich: Nicht nur inhaltlich verbindet ÖVP und FPÖ mehr als sie trennt – auch der Umgang mit Daten, Macht und die politischen Praktiken ähneln sich sehr.

Quelle https://kontrast.at/fpoe-casino-ibiza-razzia/

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