Die Krankenkassen warnen davor, die Sozialabgaben nur von der Finanz prüfen zu lassen.
Es ist ein beunruhigender Satz, den Ingrid Reischl, die Vorsitzende der Trägerkonferenz im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, im KURIER-Gespräch formuliert: „Österreichs Arbeitnehmern droht eine versteckte Pensionskürzung.“
Eine Pensionskürzung? Wann, wie, warum? Dazu muss man wissen, dass in der Sozialversicherung seit Wochen nachgedacht wird, wie man die türkis-blaue Koalition von einer Maßnahme abbringt, die sich im Regierungsprogramm findet.
Konkret heißt es unter der Überschrift „Vereinfachung und moderne Services“, dass künftig „alle lohnabhängigen Abgaben von der Finanzverwaltung“ eingehoben werden. Die Finanzämter sollen nicht nur prüfen, ob Arbeitgeber und -nehmer ihre Steuern korrekt bezahlen, sondern auch, ob die Sozialabgaben vorschriftsmäßig eingehoben wurden.
Auf den ersten Blick klingt das vernünftig – warum sollten Mitarbeiter von zwei öffentlichen Einrichtungen zur Betriebsprüfung ausrücken, wenn eine genügt?
Doch abgesehen davon, dass die Prüfer von Sozialversicherung und Finanz seit Jahren ohnehin koordiniert vorgehen, sieht Reischl ein grundsätzliches Problem: „Prüfer der Sozialversicherung prüfen nach dem Anspruchsprinzip. Das heißt: Sie schauen sich genau an, ob ein Arbeitnehmer im richtigen Kollektivvertrag ist, ob er Überstunden, Weihnachts- und Urlaubsgeld korrekt bezahlt bekommt, und so weiter.“ Theoretisch könnten Finanzprüfer das auch tun.
„Lebenslange Reduktion der Pensionsansprüche“
Praxis und Statistiken sprechen eine andere Sprache. Denn laut dem KURIER vorliegenden Zahlen des Hauptverbandes (siehe Grafik unten) sind die Prüfer der Krankenkassen beim Eintreiben der Sozialversicherungsbeiträge mehr als drei Mal so erfolgreich wie die Steuerfahnder. Während der durchschnittliche Finanzprüfer pro Fall 3653 Euro an zu wenig bezahlten Beiträgen „findet“, sind es bei den Prüfern der Krankenkassen 11.588 Euro.
Dieser Unterschied ruft Reischl auf den Plan. „Wer bei Sozialabgaben zu niedrig eingestuft wird, hat geringere Ansprüche im Sozialsystem. Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung sind geringer.“
Reischl bringt ein Beispiel: Jemand, der monatlich um 100 Euro zu wenig Gehalt bekommt, verliert in fünf Jahren mehr als 2800 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen, die für ihn einbezahlt werden. Die Konsequenz sind etwa der Verlust von hunderten Euro bei Weihnachts- und Urlaubsgeld, geringere Ansprüche bei Kranken-, und Arbeitslosenversicherung, aber vor allem: „Eine lebenslange Reduktion der Pensionsansprüche.“
Im konkreten Fall wären das „nur“ zehn Euro im Monat. „Allerdings merkt man das meist erst am Ende des Arbeitslebens“, sagt Reischl. „Daher versteckte Pensionskürzung.“
Quelle.https://kurier.at