Jänner 2020
Serie E-Auto
Vom komplizierten Leben und Sterben der E-Auto-Batterie
Der Besitzer des ausgebrannten Tesla in Tirol hatte alle Mühe mit dem Wrack.
Elektroautos werden bald in nennenswerter Zahl unterwegs sein. Für Feuerwehren, Verschrotter und Entsorger sind sie derzeit eine Herausforderung Regina Bruckner
16. Jänner 2020, 09:00
Die Autohersteller drücken 2020 viele neue E-Modelle in den Markt, um die strengeren Abgasvorschriften zu erfüllen. Über Vor- und Nachteile der Elektromobilität wird heftig diskutiert. Eine Schwachstelle hat sich aber im vergangenen Herbst deutlich gezeigt: Wie umgehen mit der Batterie, wenn es brenzlig wird? Ein Lehrstück gab es in Tirol. Nachdem ein Tesla bei einem Unfall ausgebrannt war, gab es wochenlang Schwierigkeiten mit der Entsorgung des 600 Kilo schweren Akkus. Tesla hatte zwar mit Öcar eine Firma genannt, die für die Entsorgung zuständig sei, die hatte jedoch keine Lizenz. Als schließlich Tesla-Techniker aus den Niederlanden anreisten, um die Batterie auszubauen, durften sie nicht Hand anlegen. Wie kam es dazu?
Tesla weist alle Schuld von sich: Man habe im November 2018 „sämtliche notwendigen Anträge für die Listung bei Öcar bei der zuständigen Behörde eingereicht“. Eine Genehmigung sei nie gekommen, auch keine Absage. Überhaupt habe es kein Muh oder Mäh gegeben, „keine Rückfragen oder sonstiges Feedback“. Nun habe man den Prozess „proaktiv erneut angestoßen“.
Das Herzstück der E-Autos ist die Batterie. Auch die Stromer werden irgendwann zu Schrott. Allein die wenigen Modelle derzeit produzieren 250.000 Kilogramm Abfall.
Fragt man mit der Materie Vertraute wie Walter Kletzmayr, Geschäftsführer der Arge Shredder, Vertreter der großen Schredderbetriebe in Österreich, spricht dieser von einem „Ausnahmefall“. Die Betriebe zerlegen Altautos in ihre Bestandteile, um die Rohstoffe der Verwertung zuzuführen. Eigentlich gebe es mit E-Autos keine Probleme, sagt Kletzmayr. Noch. Denn aus den 50.000 Stromern, die derzeit auf den Straßen herumkurven, werden mehr – und der Einzel- künftig zum Regelfall.
Roland Pomberger, Abfalltechniker an der Montanuniversität Leoben, ist „fast dankbar“ für den Tesla-Fall. Was bis dahin noch nie jemand beleuchtet habe: „Was passiert, wenn man den Akku in einem Wrack hat“, das E-Auto also so demoliert ist, dass die Batterie nicht ausgebaut werden kann. Das Problem aus seiner Sicht: „Das Unfallwrack gibt es nicht. Das geht von angedepscht bis zu ausbrechenden Bränden in der Batterie, dazwischen gibt es viele Abstufungen. Nur, vorher weiß man das nicht genau.“
Beim Tesla in Tirol war das eines der Probleme. Die Feuerwehr hatte das Fahrzeug gelöscht und danach in einen Container gestellt. Damit geht es aber erst los: Abschleppen, Akkuausbau – die Schnittstellen zwischen den Akteuren seien nicht geklärt, sagt Pomberger: „Wer entscheidet, ob ich das mit der Flex herausschneiden kann?“
Bürokratisches Dilemma
Dazu kam, was Kletzmayr ein „bürokratisches Dilemma“ nennt. Es stelle sich die Frage: Ist ein zerdepschtes E-Auto ein Altfahrzeug? Wichtig für die Praxis: Denn wer die Erlaubnis hat, Altautos zu entsorgen, darf noch lange keinen Brandrückstand mitnehmen. Eine wichtige Unterscheidung: Bei den Schreddern landet das ausgeweidete Fahrzeug. Öl, Benzin, Scheibenschutzmittel, alles wird getrennt. Aus dem gefährlichen Abfall wird damit ein ungefährlicher. Beim Tesla war nichts mehr zu trennen, ergo gefährlicher Abfall. Die beiden Tesla-Techniker durften aus abfallrechtlichen Gründen nicht bergen. Übrigens hatte beim Tesla die Antriebsbatterie gar nicht gebrannt, sondern nur eine Stützbatterie. Ergo viel Rauch um nichts.
Der Besitzer des ausgebrannten Tesla in Tirol hatte alle Mühe mit dem Wrack.
So sieht das Christian Klejna, E-Auto-Experte beim ÖAMTC: Auch wenn die Feuerwehren noch eine gewisse Scheu vor den Stromern hätten, am Ende sei die Sache nicht komplizierter als beim Verbrenner. Roman Sykora, im Bundesfeuerwehrverband für gefährliche Stoffe zuständig, sieht das anders. Die Hersteller wälzen die Probleme mit dem Handling ab, sagt Sykora. So sei etwa der Hauptschalter bei jedem Modell woanders. „Jeder hat sein eigenes System. Bei dem einen ist vorne etwas zu drehen, bei den anderen schmilzt ein Teil der Batteriehülle. Es gibt keinerlei Standardisierung.“ Die Feuerwehr habe durchaus keine Lust, „Betatester für die Hersteller zu spielen“. Außerdem habe man zwar Container, aber sei das Wrack gelöscht, könne es vorkommen, dass dieses drei Wochen später noch einmal zu brennen beginnt. Kletzmayr sagt, aus dem Fall hätten jedenfalls alle gelernt. Aber: „Die Thematik der E-Auto-Wracks ist nicht gelöst.“
Alles im Griff
Auch abseits davon gibt es offene Fragen – selbst wenn die Hersteller die Entsorgung so weit im Griff haben. Und davon gehen sie aus. Bei der Salzburger Porsche-Holding, Generalimporteur für VW in Österreich, heißt es, es habe bislang keine Probleme gegeben. Jeder Servicepartner in Österreich, insgesamt gut 400, sei mit einem Quarantäneplatz ausgerüstet, so Technikleiter Johann Schmidinger. Gibt es ein Problem, ruft der Betroffene (mit Servicevertrag) bei VW an, dort werde für die fachgerechte Bergung gesorgt. Im Ernstfall übernimmt dann der befugte Entsorger Saubermacher. Mit einem solchen kooperiert auch Renault. Der Hersteller ist schon lange mit E-Autos auf dem Markt – von Auffälligkeiten in Sachen Batterie weiß man zumindest im Kundenzentrum nichts zu berichten. Darüber hinaus hat Renault ein eigenes Batteriereparaturzentrum in Leonding. Denn nicht immer muss ein Akku nach einem Unfall oder Defekt entsorgt werden. Manchmal reicht auch eine Reparatur.
Weite Reise
Die gute Nachricht: Die Hersteller geben großzügig Garantie, und Ausfälle während der Garantiezeit sind selten. Andernfalls kann es knifflig werden. Kann ein Akku etwa von Renault repariert werden, muss er nach Frankreich. Zwar haben viele Kunden ihre Batterie geleast oder gemietet und die meisten eine Batterie- oder Vollkaskoversicherung abgeschlossen – gibt es die jedoch nicht, fallen Transportkosten an. Und im zugegeben unwahrscheinlichen Fall, dass ein Auto in einen Unfall verwickelt und die Batterie kaputt ist, der Rest des Autos aber kein Totalschaden, wird es teuer: Bei Renault fallen für eine Batterie ohne Montage rund 9.000 Euro an. Grundsätzlich bestimmt die Reichweite den Preis: je ausdauernder, desto teurer. 20.000 Euro sind da kein illusorischer Betrag.
Was die Sache mit der Wiederverwertung der Rohstoffe insgesamt betrifft, so sind allenfalls erste Schritte getan. Saubermacher – beim steirischen Versorger landen derzeit alle E-Autobatterien, die in Österreich ihr Lebensende erreicht haben – hat für das Recycling von Lithium-Ionen-Akkus 2018 eine neue Anlage in Bremerhaven eröffnet und dort drei Millionen Euro investiert. Nicht ohne Risiko, denn derzeit sind die verwertbaren Mengen noch zu gering für eine wirtschaftliche Verwertung. Kobalt, Nickel und Mangan werden bereits recycelt. Beim Lithium ist die Menge noch zu klein. (Regina Bruckner, 16.1.2020)
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