Breaking News

Ex-Jobsuchende erzählen von ihren erniedrigendsten AMS-Erlebnissen

28 Jänner 2019 https://www.vice.com/de_at/article/bjqzgw/ex-jobsuchende-erzahlen-von-ihren-erniedrigendsten-ams-erlebnissen

Ex-Jobsuchende erzählen von ihren erniedrigendsten AMS-Erlebnissen

Naomi sollte einen Hauttyp-Test machen, der nur für Weiße Menschen konzipiert war.

Finden Sie in diesem Saz einen Fehler, oder haben Sie kein Hertz für Rechtschreibung? In deutschen Arbeitsagenturen müssen Jobsuchende anscheinend Rechtschreibfragen dieses Niveaus beantworten. Das zeigt jedenfalls ein Foto von einem Arbeitsblatt mit dem Titel „Wörter mit t und tz“, das vor kurzem auf Twitter die Runde machte. Eine Tochter fotografierte das Papier, das ihre Mutter angeblich in einer Weiterbildungsmaßnahme des Jobcenters ausfüllen musste.

Müssen Jobsuchende in Österreich auch so erniedrigende Grundschulaufgaben lösen? Wir haben uns gefragt, wie es beim österreichischen Service für Arbeitssuchende und in deren Kursen zugeht, und haben bei Jobsuchenden und ehemals Jobsuchenden nachgefragt.

Janina*, 26, sollte trotz Studiums einen Schulabbrecher-Kurs besuchen

„Mein Betreuer hat mir Jobangebote zugeschickt, die überhaupt nichts mit meinen Qualifikationen zu tun hatten: Jobangebote im Autoverkauf zum Beispiel. Ich habe zu dieser Zeit Publizistik studiert und hatte bisher weder im Verkauf noch mit Autos gearbeitet. Irgendwann wurde er sauer, weil ich immer noch keinen Job hatte. Dann hat er mich in einen Kurs für Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher unter 25 gesteckt. Den wollte ich natürlich nicht machen. Als ich ihm das sagte, hat er mir nahegelegt, lieber aus dem AMS auszutreten, als diesen Kurs tatsächlich zu besuchen. Das hab ich dann auch gemacht.“

Naomi, 26, sollte einen Hauttyp-Test machen, der nur für Weiße Menschen konzipiert war

„Damit wir ein passendes Outfit für Vorstellungsgespräche finden, mussten wir in einem meiner AMS-Kurse eine Übung machen, mit der wir herausfinden konnten, welcher Farbtyp wir sind. Das Problem war allerdings, dass er für Weiße Menschen konzipiert war, oder vielleicht noch für Menschen mit einem Solarium-Teint. Aber ich bin eine Schwarze Frau. Also machte ich die Kursleiterin darauf aufmerksam, dass ich den Test nicht machen wolle. Ich war die einzige Schwarze Person im Kurs. Meine Kursleiterin sagte, ich würde die Arbeit verweigern, wenn ich den Test nicht ausfülle.

Im gleichen Kurs musste ich auch mal einen IQ-Test machen. Bei mir kam der Wert 90 raus. Ich war einfach total unmotiviert und hatte keine Lust auf diesen Test gehabt. Aber das hatte Konsequenzen: Die Kursleiterin riet mir daraufhin, dass ich doch lieber nicht studieren solle. Sie hat mit mir geredet wie mit einem Kleinkind. Ich solle lieber Verkäuferin werden, oder so. Ich habe ihr dann erzählt, dass ich bereits studiert habe und drei Sprachen fließend spreche. Da hat sie nur dämlich geschaut.“

Anna, 34, musste ein „Finde die fünf Fehler“-Bilderrätsel machen

„Mein erster Betreuer fand sich besonders lustig. Er hat immer so mit mir gesprochen, als würde ich kein Deutsch sprechen: ‚Verstehen. Sie. Mich?‘ Man hat ihn durch das gesamte Haus lachen gehört.

Obwohl ich Österreicherin bin und fließend Deutsch spreche, wollte er mich in einen Deutschkurs stecken. Ich konnte ihn aber davon überzeugen, mich stattdessen in einen ‚First-Step-Kurs‘ für Jobsuchende zu schicken. Dort mussten wir Fragen beantworten wie: ‚Was planst du für deine Zukunft?‘ Das ist ja noch sinnvoll. Aber wir mussten auch Bilderrätsel lösen und Aufgaben wie ‚Bilde den Satz korrekt‘ oder ‚Welches Wort passt nicht in den Satz‘ machen. Das war wirklich wie in der Volksschule.

Einige Personen im Kurs hatten die Übungen sogar nötig. Aber die meisten fühlten sich verarscht. Dass die Aufgaben lächerlich sind, wussten auch die Kursleitenden. Die haben uns eh nur die Aufgaben ausgeteilt, alle 30 Minuten Pause gemacht und auf ihr Handy geschaut. Hauptsache, die Leute waren beschäftigt.“

Mohamed*, 33, musste ein Ei aus dem zweiten Stock werfen

„Ich habe auch mal einen AMS-Kurs gemacht, in dem wir als Gruppe zeigen sollten, wie teamfähig wir sind. Es gab einen Beobachter, der sich notiert hat, welche Rolle wir in der Gruppe einnehmen. Dann mussten wir ziemlich absurde Sachen machen: Einmal haben wir ein Ei in die Hand gedrückt bekommen, zwei oder drei DIN-A4-Blätter, zwei Gummiringe, eine Büroklammer und Klebeband. Damit sollten wir eine Konstruktion bauen, mit der das Ei nicht kaputt geht, wenn es aus dem zweiten Stock fällt. Alle fanden die Aufgaben lächerlich, aber die Kursleiterin war überzeugt von ihrem Kurs. Jedenfalls: Wir waren die einzige Gruppe, bei der das Ei überlebt hat.“

Sarah, 24, wurde von ihrer Betreuerin ausgelacht

„Ich fand die Anmeldung beim AMS ein bisschen kompliziert, mir hat aber niemand geholfen. Beim Erstgespräch kam meine Betreuerin 40 Minuten zu spät, hat sich aber nicht entschuldigt und war aus irgendeinem Grund wütend. Als sie gesehen hat, dass ich die Registrierung nicht hinbekommen habe, hat sie hat mich dumm angemacht und mich ausgelacht: ‚Das schafft doch jeder!‘

Als sie meinen Lebenslauf dann angeschaut hat, sagte sie, dass ich keine Qualifikationen hätte und sie deshalb nicht wisse, welche Angebote sie mir schicken soll – obwohl ich davor bereits zwei Jahre als Assistent Managerin im Einzelhandel gearbeitet hatte. Ich solle doch Klos putzen gehen, da würde ich sicherlich etwas finden. Ich hatte Tränen in den Augen und musste nach dem Termin weinen. Beim zweiten Termin war die Betreuerin immer noch unfreundlich, hat es aber kurz gehalten. Als ich ihr sagte, dass ich den kommenden Termin verschieben muss, weil ich nicht in Wien bin, sagte sie: ‚So wichtig kann es doch nicht sein, es ist doch niemand gestorben!‘ Den dritten Termin hatte ich dann zum Glück bei einer neuen Betreuerin.“

Quelle https://www.vice.com/de_at/article/bjqzgw/ex-jobsuchende-erzahlen-von-ihren-erniedrigendsten-ams-erlebnissen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.