Januar 2022
Der Pensionist soll einen Polizisten mit einer im Nacken steckenden Fahne geschlagen haben
Vor etwa zwei Wochen wurde am Gmundner Rathausplatz ein Rentner festgenommen. Den Medien war es eine kurze Meldung wert. „Pensionist verletzte Polizist mit Fahnenstange“ oder „Musikant attackiert Polizisten mit Fahnenstange“ hieß es etwa. Wochenblick sprach mit dem 77-jährigen Alphornbläser aus dem Bezirk Gmunden, der bei der Festnahme an Knie und Händen verletzt wurde. Auch seine Brille ging zu Bruch – ersetzt wird sie ihm wohl nicht, wie der Pensionist erfuhr.
Auf dem menschenleeren Gmundner Rathausplatz habe er alleine gesungen und mit seinem Flügelhorn musiziert und das schon zum vierten Mal. Für die Grund- und Freiheitsrechte trete er ein. Der 77-jährige gehe nicht bei den Corona-Spaziergängen mit, sondern bringe seine Betroffenheit über die Corona-Zeit und die jetzige gesellschaftliche Situation mit seiner Musik zum Ausdruck. So stand er am zweiten Montag im Jänner am Gmundner Rathausplatz. Die Montagsspaziergänger waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Zentrum eingetroffen.
Gesang und Musik als Ruhestörung bezeichnet
Mit seiner großen Österreich-Fahne, die er im Nacken stecken hatte, sang Gstettner seine Lieder. Für zwei Polizisten Anlass, ihn zu kontrollieren: „Die zwei Polizisten wollten von mir eine Genehmigung für Straßenmusik sehen. Ich sagte ihnen, dass ich keine habe und auch keine brauche, weil ich kein Straßenmusikant bin. Ich singe nicht an einer belebten Stelle und sammle kein Geld. Ich bringe nur meine Gefühle zum Ausdruck. Sie sagten mir, ich würde eine Ruhestörung begehen. Darüber ärgerte ich mich wirklich.“, beschreibt der Vater zweier erwachsener Kinder.
Baut seit 30 Jahren Alphörner
Seine Musik ist für ihn das Leben. Der gelernte Kaufmann, der viele Jahre als Außendienstmitarbeiter tätig war, kann über 150 Musikinstrumente sein Eigen nennen. Angefangen von Flöten über Maultrommeln bis hin zu Pfeifen. Aber eben auch seine geliebten Flügel- und Alpenhörner, auf die Walter Gstettner großen Wert legt. Seine große Leidenschaft, die er seit über 30 Jahren pflegt, ist das Bauen von Alphörnern. „Es ist doch keine Ruhestörung, wenn ich mit einem Flügelhorn blase und singe. Ich wollte dann zu meinem Auto gehen, damit die Situation nicht weiter aus dem Ruder läuft.
Ich drehte mich also um und schon schrie einer der Beamten, dass das ein tätlicher Angriff gewesen sei!“
Tätlicher Angriff durch unabsichtliche Berührung
Der Pensionist soll dem Beamten mit der Österreich-Fahne ins Gesicht geschlagen haben, bemerkt habe Gstettner die Berührung nicht. Dass diese nach wie vor im Nacken steckte und wenn, die Berührung, unabsichtlich passierte, erwähne kein Medium.
Walter Gstettner ist sich sicher: „Das geschah nur, weil ich komplett alleine war, das nutzten die Polizisten aus.
Denn so schnell konnte ich gar nicht schauen, rissen mich die beiden Beamten schon zu Boden.
Was ist mit diesen Menschen nur los? Natürlich habe ich versucht mich zu wehren, wer würde das nicht tun, wenn er einfach aus dem Nichts umgerissen wird?“
Dass der Pensionist beim Aufprall am Boden seine dritten Zähne verloren hat, ist wohl bezeichnend für die Wucht. Auch das Gestell seiner Brille ging dabei kaputt.
Brutal zu Boden gerissen und fixiert
Am Boden liegend seien ihm die Hände am Rücken fixiert worden, was Gstettner laut seiner Schilderung starke Schmerzen bereitete:
„Ich schrie, weil mir die Polizisten meine Arme nach hinten bogen und dort die Handschellen anlegten.
So lag ich da auf dem Boden. Endlich kamen auch die Montagsspaziergänger. Lautstark schrien sie, dass mich die Beamten doch loslassen sollen. Immer wieder hörte ich: „Das ist ein alter Mann. Lasst ihn los!“ Aber die beiden Polizisten machten nicht die geringsten Anstalten.“, ist der fünffache Großvater entsetzt. „Im Gegenteil, irgendwann setzten sie mich auf und verfrachteten mich in den Streifenwagen.
Das bereitete mir große Schmerzen, weil ich Probleme in den Beinen habe. Sie drückten mich ins Fahrzeug, immer noch mit den Handschellen am Rücken.“
Dann fuhren die beiden Beamten mit dem Pensionisten zum Polizeiposten.
Einschnürungen durch Handschellen und andere Verletzungen
Auf Gstettners Ersuchen, ihm die Handschellen abzunehmen, habe man lediglich „Erst, wenn Sie sich beruhigen!“ geäußert.
Nach einer viertel Stunde in der Polizeiinspektion sei er von den Handschellen befreit worden, was für den Senior äußerst schmerzhaft war, wie er beschreibt:
„Mit den Händen am Rücken harrte ich insgesamt mindestens eine halbe Stunde aus!
Ich hatte danach starke Einschnürungen an beiden Handgelenken. Und mein rechter Daumen ist zwei Wochen später immer noch taub! Als Ungeimpfter habe ich mich aber zu keinem Arzt getraut.“ Die beiden einschreitenden Beamten habe Walter Gstettner nicht mehr zu Gesicht bekommen. Zwei andere Beamten hätten seine Vernehmung durchgeführt.
Pensionist fühlt sich gedemütigt
Dass er nach Abschluss der Amtshandlung noch zu seinem Auto gefahren wurde, wirkt auf den 77-Jährigen kurios. „Zuvor behandelte man mich derart brutal und dann bringt man mich zum Auto. Also ehrlich, da fühl ich mich schon gedemütigt.
Die beiden jungen Polizisten haben dermaßen überreagiert, was ich einfach nicht verstehen kann. Ich habe niemanden absichtlich geschlagen.“, stellt Gstettner klar. „Wie wäre das möglich gewesen, wenn die Fahne die ganze Zeit in meinem Nacken unter der Kleidung steckte? Ich verlor sie erst als die beiden Beamten mich zu Boden rissen.“
“Es tut mir im Herzen weh!”
Dass der leidenschaftliche Alphornbläser einmal in so eine Situation kommen würde, hätte er sich nie gedacht. Anwalt könne er sich keinen leisten, was ihn verzweifeln lässt.
Mit Tränen in den Augen beschreibt er: „Es tut mir im Herzen weh, dass ‘dein Freund und Helfer’ so mit alten Menschen umgeht und überhaupt keinen Respekt mehr hat.
Die haben mich wie einen Verbrecher behandelt. Ich habe Angst um unsere Zukunft, die meiner Kinder und Enkelkinder und deswegen gehe ich für unsere Rechte auf die Straße. Ich will niemandem etwas Böses!“
Von Seiten der Polizei besteht gegen Walter Gstettner der Vorwurf des tätlichen Angriffs auf einen Beamten, wie Wochenblick auf Nachfrage erfuhr.