8. März 2021
„Musste mich anurinieren!“
„Menschenrechtswidrig“: Demonstrantin schildert 12 Stunden Knast-Horror
WOCHENBLICK berichtete exklusiv über die perfide Kesselung, die viele Demonstrationsteilnehmer am Samstag auf dem Nachhauseweg vom Prater aus traf. Nachdem hunderte von Personen eine Stunde lang zwischen der Augartenbrücke und dem Schottenring im Polizeikessel bei Minusgraden festgehalten wurden, versuchten einige über den Innenhof und die Tiefgarage eines Versicherungsgebäudes zu fliehen. Eine von ihnen ist die Kapfenbergerin Sonja Hamma (44). Sie wurde von der Polizei festgehalten und dazu gezwungen, sich an-zu-urinieren! Später, in Haft verwehrte man ihr sogar Essen und Trinken! Die vierfache Mutter und Großmutter klagt: „Das war menschenrechtswidrig!“
Am Samstag fuhr Frau Hammer gemeinsam mit ihrer Tochter auf die Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung nach Wien. Sie sei mit Sicherheit „keine Rechtsextreme, kein Hooligan, kein Staatsverweigerer, kein Antisemit und auch sonst nichts, als das uns dieser Nehammer heute beschimpft hat!“, ließ sie den WOCHENBLICK erzürnt wissen. Der entsprechende Menschentypus sei ihr auch während der gesamten Demonstration nicht begegnet: „Das waren alles normale Leute mit berechtigten, begründeten Sorgen.“
Für die Grundrechte
„Ich sorge mich um unsere Grundrechte, um meine vier Kinder, meine Enkerl und die alten Leute!“, berichtet die 44-Jährige erschüttert. Vor allem das neue Epidemiegesetz macht Frau Hamma Angst:
„Wenn das kommt, dann ist es ganz vorbei mit der Demokratie.“
schilderte sie besorgt gegenüber dem WOCHENBLICK.
Wie schnell sie sich an diesem Tag – gemeinsam mit ihrer Tochter (22) – tatsächlich ihrer Grundrechte, ja ihrer Menschenrechte, beraubt fühlen würde, hatte Frau Hamma zu Beginn jedoch nicht ansatzweise erahnt!
Eine Stunde im Polizeikessel bei Kälte und Harndruck
Dass sie eingekesselt werden könnte, das hielt die 44-jährige, tüchtige Reinigungskraft zwar für möglich. Was aber dann geschah nicht.
Wie hunderte andere geriet Frau Hamma gegen 18 Uhr an der Oberen Donaustraße in einen Polizeikessel. Eine Stunde harrte sie darin mit ihrer Tochter aus.
Sie musste bereits dringend auf die Toilette und wollte irgendwann nur noch heim, nach Kapfenberg. Dafür mussten Mutter und Tochter aber erst ihr Auto in Wien Hütteldorf erreichen. Als die beiden eingekesselt wurden, befanden sie sich auf dem Weg zur U4-Station „Rossauer Lände“. Die „Rossauer Lände“ wird den Frauen später jedoch anders als gedacht und wohl auf ewig in Erinnerung bleiben.
„Wir wollten nur noch da raus“
Plötzlich tat sich etwas. Das Tor des angrenzenden Versicherungsgebäudes war plötzlich geöffnet, ein Pulk von Personen rannte – in der Hoffnung durch das Tor endlich in Freiheit zu gelangen.
So auch Frau Hamma mit ihrer Tochter: „Wir wollten nur noch da raus.“, schildert uns die Frau, die immer noch traumatisiert erscheint.
„Lassen Sie uns bitte, bitte gehen!“
Und dann? „Wir schafften es bis in die Tiefgarage. So wollten wir nach draußen kommen. Wir wollen ja niemandem etwas böses! Wir wollten nur weg.“ Die Polizei habe sie dann mit den Diensthunden überwältigt, sofort habe sich Frau Hamma aber gestellt, brav ihren Ausweis gezeigt:
„Ich habe gefleht: Lassen Sie uns bitte, bitte gehen!“
Doch das kam für die Polizisten nicht in Frage. Sie hielten Frau Hamma, gemeinsam mit 22 weiteren Personen fest.
„Da lag niemand!“
Vieles wurde heute über einen verletzten Sicherheitsmann kolportiert.
Mittlerweile soll es sogar mindestens zwei Männer mit Beinverletzungen bei dem Vorfall gegeben haben.
WOCHENBLICK berichtete bereits über ein Video, das nahelegt, dass einer der Männer zumindest durch die Polizei verletzt wurde. WOCHENBLICK fragte auch Frau Hamma, ob sie Beobachtungen dazu gemacht habe.
„Als wir durch das Tor sind, lag da niemand! Das muss erst später passiert sein.“, zeigte sich die Kapfenbergerin gegenüber dem WOCHENBLICK überzeugt.
Sie glaubt, dass der Sicherheitsmann, sowie der Mann, der auf dem Video zu sehen ist, erst später beim Einschreiten durch die Polizei verwundet wurden.
„Ich musste mir in die Hose machen!“
Für Frau Hammer ging die Tortur zu diesem Zeitpunkt jedenfalls erst so richtig los. Immer dringender musste sie auf die Toilette, nun wurde sie jedoch unsanft von der Polizei festgehalten. Wann sie endlich ihre Notdurft verrichten durfte?
Die Polizei habe Frau Hamma hingehalten mit dem Verweis, sie dürfe erst aufs Klo, sobald eine weibliche Beamte vorbeikomme.
Diese kam jedoch nie. „Ich musste mir in die Hose machen!“, schildert uns Frau Hamma verstört. Die Polizisten hätte das nicht weiter interessiert. Doch auch damit war die Tortur für die gedemütigte 44-Jährige und ihre Tochter noch nicht vorbei.
„Ihr kommts jetzt in den Häfen“
Dass so etwas bei uns möglich sei, das hätte sie nicht für möglich gehalten, schildert uns Frau Hamma. Mit 22 weiteren Personen wurde sie zuerst in Polizeiwagen festgehalten und dann in das Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände verbracht.
„Sie haben uns wie Schwerverbrechern die Halsketten, die Ohrringe, Schals und sogar die Schuhbänder abgenommen und gesagt: Ihr kommts jetzt in den Häfen!“
(Anm. d. Red.: Rotwelsches Wort für „Gefängnis“), schilderte uns Frau Hamma verstört.
Fast 12 Stunden im „Häfen“
Im „Häfen“, dem Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände, wurden die 23 Personen, davon 5 Frauen und 18 Männer, zuerst nach Geschlecht in Gemeinschaftszellen und später in Einzelhaft verbracht. „Wir durften nicht telefonieren. Wir bekamen weder Essen noch Trinken, obwohl wir darum gebeten haben! Das ist doch menschenrechtswidrig!“, schilderte uns Frau Hamma die Situation. Und so verblieb Frau Hamma – alleine, in Sorge um ihre ebenfalls inhaftierte 22-jährige Tochter – bis vier Uhr in der Früh in Haft. Dann wurde sie einer „besonders unhöflichen“ Ärztin vorgeführt, die fragte, ob sie krank sei, was sie verneinte. Daraufhin wurde Frau Hamma zweieinhalb Stunden von einem Kripo-Beamten einvernommen.
Immer noch saß sie in ihrer zuvor gezwungenermaßen an-urinierten Kleidung da. Ständig sei der Computer abgestürzt, wenigstens habe man sich aber im Gefängnis kaum um die Einhaltung Maskenpflicht gekümmert, schilderte uns die Frau etwas verwundert.
Und der Beamte sei der erste gewesen, der auch nett zu Frau Hamma, die die Polizeibeamten zuvor als „eiskalt“ beschrieb, war.
Warten auf Anklage
Um 7.40 Uhr in der Früh wurde Frau Hamma letztlich aus dem Polizeianhaltezentrum entlassen und durfte endlich mit ihrer Tochter nach Hause fahren. „Jetzt warten wir auf die Anklage.“, schildert Frau Hamma perplex. Sie fürchtet, dass sie eine Anklage wegen Hausfriedensbruch erhalten könnte und beteuert: „Wir wollten doch nur nach Hause!“ Doch die Polizei habe ihr vermittelt, dass es zu einer Anklage kommen werde.
Wollen Nehammer auf der Anklagebank sehen
Doch die 23 fühlen sich zu Unrecht inhaftiert und werden nicht einfach nur warten.
Sie sind empört und perplex ob der staatlichen Gewalt die ihnen widerfahren ist und finden, dass nicht sie es sind, die auf die Anklagebank gehören.
Sie fühlen sich nicht schuldig, sondern sehen sich als Opfer überbordender, staatlicher Repression. „Wir werten derzeit Videos von dem Vorfall aus und bereiten eine Sammelklage gegen die Polizei, Karl Nehammer und gegen den Staat vor!“, berichtete uns die Steirerin entschieden.
Quelle https://www.wochenblick.at/menschenrechtswidrig-demonstrantin-schildert-12-stunden-knast-horror/