Ab 2019 sollen persönliche Daten der Österreicher für die Forschung freigegeben werden, darunter auch Informationen der elektronischen Gesundheitsakte ELGA. Datenschützer schlagen Alarm.
Ein entsprechendes Ermächtigungsgesetz liegt bereits im Parlament . Während Universitäten und Industrie die Pläne begrüßen, warnen Datenschützer vor Missbrauch ähnlich dem aktuellen Facebook-Skandal. Kritik übt auch die Datenschutzbehörde.
Beschlossen hat die Regierung die Änderungen schon am 21. März. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden sie trotz vorheriger Begutachtung bisher nicht – wohl auch deshalb, weil die Novelle des Forschungsorganisationsgesetzes (FOG) in einem der 13 „Datenschutz-Anpassungsgesetze“ der Regierung verborgen ist. Wobei die Datenschutzbehörde im Justizministerium schon in der Begutachtung kritisiert hat, dass die Pläne weit über bloße Anpassungen an das neue EU-Datenschutzrecht hinausgehen.
Zugriff auch für Industrie
Geplant ist nämlich, dass persönliche Daten der Österreicher, die der Bund erhoben und abgespeichert hat, für Forschungszwecke abgefragt werden dürfen („Registerforschung“) – wobei die Namen der Betroffenen durch eine Kennzahl ersetzt werden, um die namentliche Zuordnung ihrer Daten zu verhindern. Voraussetzung ist, dass die zuständigen Minister der Öffnung „ihrer“ Datenbanken zustimmen. Zugriff erhalten sollen ab 2019 nicht nur Universitäten, Fachhochschulen und Museen. Auch Forschungsabteilungen von Industrieunternehmen und Einzelpersonen im In- und Ausland können beim Verkehrsministerium um eine Genehmigung ansuchen.
Scharfe Kritik von Datenschützern
Scharfe Kritik kommt von der Datenschutzorganisation epicenter.works, aus deren Sicht das bloße Löschen der Namen für eine verlässliche Anonymisierung nicht ausreicht. Direktor Thomas Lohinger warnt vor Missbrauch und erinnert daran, dass auch Cambridge Analytica, die Skandalfirma in der aktuellen Facebook-Affäre, als Forschungsprojekt auftrat. „Hochsensible Gesundheitsdaten für globale Marktforschungszwecke zu öffnen, ist eine ganz schlechte Idee. Die Cambridge Analyticas dieser Welt können einzelne Personen leicht in den mangelhaft anonymisierten Daten wiederfinden“, sagt Lohinger.
Sicherheitsmaßnahmen
Das Wissenschaftsministerium hält dem entgegen, dass von Forschern eine Reihe von Datensicherheitsmaßnahmen verlangt wird. „Vorsätzlich rechtswidriges Verhalten wird jedoch auch durch über die im FOG hinausgehenden Maßnahmen nie gänzlich ausgeschlossen werden können“, räumt das Ministerium zwar ein. Allerdings müssten die Wissenschafter einen eigenen Datenschutzbeauftragten installieren, der auf Datensicherheit achte. Die Veröffentlichung der Personenkennzeichen sei verboten. Und das Gesetz schreibe den Forschern eine „lückenlose Dokumentation der Zugriffe“ und die Geheimhaltung der Daten vor.
Grundsätzlich verfügt der Bund über eine ganze Reihe von Datenbanken, die Informationen über Gesundheit, Bildung, Sozialversicherung und Steuerdaten der Österreicher enthalten. Eine genaue Liste jener „Register“, die für Forschungszwecke zugänglich sein sollen, gibt es noch nicht. Sie soll per Verordnung festgelegt werden, wobei auch die jeweils zuständigen Minister zustimmen müssen.
Regelung soll auch für ELGA gelten
Explizit vom Zugriff ausgeschlossen werden im Forschungsorganisationsgesetz nur Datenbanken der Justiz und das Strafregister, nicht aber die elektronische Gesundheitsakte ELGA. Im Gegenteil: In den Erläuterungen wird explizit festgehalten, dass die neuen Regeln auch für ELGA gelten würden, obwohl das dortige Gesetz vorsieht, dass nur die Patienten selbst und die behandelnden Ärzte Daten abfragen dürfen. Die im ersten Entwurf vorgesehene Möglichkeit der Bürger, die Weitergabe ihrer Daten generell zu verweigern, wurde in der Regierungsvorlage wieder gestrichen.
„Unausgewogen“
In die Erstellung des Gesetzes nicht eingebunden war die Datenschutzbehörde, die erst durch den Gesetzesentwurf von den Plänen erfahren hat. Die Datenschützer halten das Gesetz für unausgewogen. Ziel sei offenbar, „es den Forschungseinrichtungen so leicht wie möglich zu machen“, so der stellvertretende Leiter der Behörde, Matthias Schmidl. Außerdem wird das Recht der Bürger auf Datenauskunft, Löschung und Berichtigung falscher Daten gegenüber Forschungseinrichtungen eingeschränkt. Die Speicherfristen für persönliche Daten werden erweitert. Und für (teil)staatliche Forschungseinrichtungen ist weitgehende Straffreiheit bei Verstößen gegen die EU-Datenschutzregeln vorgesehen. Ob das im Lichte EU-Datenschutzgrundverordnung überhaupt zulässig sei, werde im Zweifel der Europäische Gerichtshof prüfen müssen, so Schmidl.
Wunschkonzert der Lobby-Gruppen
Ein mit dem Zustandekommen des Gesetzes vertrauter Experte aus dem Universitätsbereich warnt davor, dass „viel zu wenig Hürden für massiven Missbrauch“ eingebaut wurden. Namentlich genannt werden will er nicht, denn offiziell haben die Universitäten – wie auch die Pharma-Branche – die Erleichterung ihres Datenzuganges begrüßt. „Es war ein Wunschkonzert der Uni-Vertreter und Lobbygruppen“, sagter . Er geht davon aus, dass die Ent-Anonymisierung der persönlichen Daten möglich sein wird, sobald eine hinreichend große Datenmenge verfügbar ist.
Als „äußerst gelungen“ lobt dagegen die Universität Wien den Gesetzesentwurf. Zustimmung kam in der Begutachtung u.a. auch von der Med Uni-Wien und der TU Graz. Der Fachverband der Chemischen Industrie in der Wirtschaftskammer meint, dass die Öffnung der Daten „für ein wettbewerbsfähiges Forschungsumfeld in Österreich sorgen“ werde. Andernfalls drohe ein Standortnachteil. Explizit begrüßt der Fachverband, dass auch Firmen (und nicht nur gemeinnützige oder universitäre Forscher) als „wissenschaftliche Einrichtung“ mit privilegiertem Datenzugang gelten.
AK fordert Rechtsschutzgarantien
Unterstützt wurde die Kritik der Datenschutzbehörde im Begutachtungsverfahren dagegen von der Arbeiterkammer. Sie warnte, dass das Gesetz auch rein kommerzielle Aktivitäten ermöglichen würde und bezeichnete ein unbeschränktes Zugriffsrecht auf alle behördlichen Register als „unverhältnismäßig“. Die Arbeiterkammer forderte daher „Rechtsschutzgarantien“ für die Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen – also etwa die Genehmigung der Zugriffe durch die Datenschutzbehörde.